Der ewige Traum Chile & Argentinien zu Fuß, Motorrad, Segelboot und Pferd zu entdecken war Antrieb zum Start einer unvergesslichen und einzigartigen Reise im September 2022.
DAS ist eine kleine Geschichte von zwei recht unterschiedlichen Seelen auf der Suche nach dem Abenteuer und innerer Erkenntnis, mit einem gemeinsamen Nenner, der beide verbindet - dem Mut zum Aufbruch.
Mit diesen Erzählungen begann das ICH...
Übrigens:
Diese Geschichte startet ganz unten und arbeitet sich hinauf...
Ankommen - aber wo?
Als ich zuhause ankam, war alles anders. Die vermeintlich wichtigsten Aspekte meines Lebens hatten sich schlagartig verändert. Mein Haus am Dach war zwar noch da, fühlte sich aber tagelang fremd an. Ich hatte kein klares Ziel vor Augen, war verwirrt, desorientiert, verstört und verletzt. Ich suchte meine Familie, Freunde und Aufgaben. Ich suchte einen Sinn in meinem Dasein. Ich suchte irgendetwas. Die Wochen verflogen wie Augenblicke und alles Reale schien verschwommen hinter wagen Erinnerungen aus einer parallelen Welt. Ich fühlte mich allein und wollte auch allein sein. Ich wollte die Augen schließen und auf mein Herz hören, ganz ohne Nebengeräusche. Ich wollte aufmerksam lauschen, was es zu sagen hatte. Ich wollte mein Umfeld spüren, ohne es zu berühren.
Mein Vater hat immer gerne Konfuzius zitiert, der wohl sagte: „Wer das Ziel kennt, kann entscheiden. Wer entscheidet findet Ruhe. Wer Ruhe findet, ist sicher. Wer sicher ist, kann überlegen. Wer überlegt, kann verbessern.“
Über dieses Ziel habe ich nachgedacht, vielleicht viel länger als es gesund ist, vielleicht auch noch viel zu kurz. Mein oberstes Ziel war es im Grunde immer, alles was ich tue, aus Liebe, mit Leidenschaft und vor allem in guter Absicht zu tun und darauf zu hoffen und zu vertrauen, dass es irgendwann erkannt wird und Früchte trägt. In dieser Liebe möchte ich ankommen, alles andere sind nur Raststationen des Lebens.
All dem Gewitter zum Trotz bin ich unendlich dankbar und glücklich, dass ich all das erleben durfte, was ich erlebt habe. Ich möchte keine Sekunde davon missen. Nicht einmal die Dunkelste, denn in ihr bin ich gewachsen.
Etappe 64 - Hamburg - Mattsee - Adnet - ca. 900 km
Am Mittwoch nach einem unbeschreiblich hervorragenden Mittagessen sattelte ich schließlich meinen Stahlesel vorerst ein letztes Mal für die Heimreise nach Österreich. Mein Weg führte über verwinkelte Landstraßen zu einer Biker Pension ins Harz. Gesellige junge „Rennfahrer“ und eine sympathische, bunte Runde aus Dänemark sorgten für beste Unterhaltung und ich schlief so tief und friedlich, dass ich nicht einmal das apokalyptische nächtliche Gewitter mitbekam.
Am nächsten Morgen steuerte ich weiter Richtung Süden und hätte gerne den charmanten Campingplatz an der Saale im Thüringer Schiefergebirge ausprobiert, doch der Wetterbericht motivierte mich zum Bayrischen Landgasthof Haueis, den ich nicht nur wegen seiner kulinarischen Vorzüge keinesfalls missen möchte. Durch eine Begegnung der ganz besonderen Art mit einem sympathischen Diplomatenpärchen wurde der Aufenthalt spannend und kurzweilig.
Unweit vom Gasthof fand ich am Ende des herzigen Spiegelsees beim Peterleinstein die ultimative Fichte aller harzigen Fichten und sammelte Zutaten für meine erste selbstgemachte „fränkisch-pinzgauerische“ Pechsalbe.
Zugepflastert mit allerlei Erinnerungen sollte auf meinem Rückweg durch Wind und Regen weder Langeweile noch Unmut aufkommen. Schließlich war ich inzwischen so einiges an klimatischen Launen gewohnt und mein nächstes Etappenziel war doch tatsächlich meine Heimat Österreich! So sitze ich heute Nacht auf meinem kleinen Segelboot am Mattsee und tippe diese Zeilen, meine kleine Maschine steht draußen vor dem Strandbad und schaut mir friedlich zu. Morgen fahren wir nach Adnet.
Morgen, am 24. Juni 2023, werden wir wieder zuhause sein und vermutlich bald schon vom nächsten Abenteuer träumen…
Am 16. Juni 2023 war es soweit. Ich bekam die Meldung, dass meine kleine Inderin erfolgreich durch den Zoll geschleust wurde und nun in der mir bereits vertrauten Verladestation Contex am Hamburger Hafen geduldig auf mich wartete. Grund genug bald darauf in den Zug Richtung Norden zu hüpfen und meine „Mission Chile & Argentina“ langsam aber sicher zu beenden.
Meine wertvollen Freunde Rudolf und Oda empfingen mich in Hamburg genauso warmherzig und unterstützend wie sie mich damals verabschiedet hatten. Rudolf brachte mich in aller Früh zusammen mit einem Benzinkanister zum Hafen…
Die lange Reise hinterließ ihre Spuren auch an meiner Maschine. Schimmel, Flugrost und defekte Teile waren nicht zu vermeiden, doch das engagierte Team von Legendary Cycles in Hamburg sowie ein funktionierender Hochdruckreiniger regelten das vorprogrammierte „malheur“ so gut wie möglich und die 15kg Geschenke in einer Marokkanischen Kamelleder-Teppich Tasche aus dem Barrio Italiano in Chile schickte ich von Hamburg aus mit DHL in die Heimat.
Wunderbare, spannende und erfolgreiche Tage zwischen Hafen, Alster und heißer Ecke unterbrachen erneut meine sich langsam wieder einschleichende Routine.
Ich liebe Märchen. Jedoch sind kaum welche so verrückt und überraschend wie die Geschichten, die das wahre Leben schreibt, wenn man nur aufmerksam hinsieht. Man glaubt, eine Reise auf einen anderen Kontinent zu unternehmen und letztendlich in sich selbst zu reisen. Man glaubt vielleicht, woanders Wahrheiten finden zu können, aber letztendlich mit noch mehr Verwirrungen zurückzukehren. Man lebt, man liebt, man leidet, man fällt, man steht auf, man lächelt und schaut wieder nach vorne. Egal ob die Reise ans Ende der Welt geht oder auch nur in den Garten, eine Reise ist niemals zu Ende bis das Leben an sich zu Ende geht und selbst dann lebt man als Teil der Geschichte eines anderen weiter. Die unendliche Geschichte war schon mein Lieblingsfilm als Kind. Ich wünschte heute noch, ich hätte einen Glücksdrachen namens Fuchur an meiner Seite...
Aus diesem Grund habe ich beschlossen, dieses literarische Hoppala "micamino" weiterzuführen. Mein Papa kann zwar nicht mehr mitlesen, aber vielleicht sieht er mir jetzt von oben zu. Dir, lieber Papa, widme ich alle meine Abenteuer. Bis zum Ende.
Ostern auf der Osterinsel, so dachte ich, sei ein wunderbarer Abschluss unserer abenteuerlichen Reise und der ideale Ort, um nach über 15.000 zurückgelegten Kilometern eine vielversprechende Basis zur ganzheitlichen Erholung zu schaffen, zu sinnieren, zu reflektieren sowie verständnis- und liebevoll Erinnerungen aller Art auszutauschen. Das einzigartige Ostergeschenk von Moai zu Moai zu wandern, im bunten Unterwasserleben zu schweben, auf den unglaubliche 500m hohen Berg der Insel zu reiten, hübsche IsulanerInnen bei ihren tänzerischen Kultur-Schauspiel zu bewundern, von herzlichen und engagierten Menschen beherbergt zu werden und Inselgeschichte demonstriert zu bekommen, die berühmten Tunfisch Empanadas und andere Köstlichkeiten zu verspeisen, mit dem Rad zum schönsten Sandstrand der Insel zu fahren und 8 Tage in einer zauberhaften, romantischen, sehr abgelegenen Cabaña mit (m)einem geschätzten und wertvollen Freund verbringen zu dürfen, konnte ich doch nur dankbar annehmen und tunlichst genießen, oder? Es begann täglich zu regnen, aber ich bemühte mich stets im Regen zu tanzen. Ich wurde patschnass. Wahrscheinlich hast du recht, mein Freund. Wahrscheinlich hatte ich den Regentanz getanzt.
Etappe 63 - Isla Negra - Container Lager von San Antonio - ca. 30 km
Die klopfende Kette und der leere Tank machten mir diesmal kein Kopfzerbrechen mehr. Christof blieb als treues Begleitfahrzeug und späteres Santiago-Shuttle dicht hinter mir bis zum staubigen Parkplatz des Containergeländes, an dem ich mich im Oktober von allen anderen Motorradabenteurern verabschiedet hatte. Wir wurden mit freudigem Winken und Lächeln von neuen Gleichgesinnten empfangen und die Vorbereitung zur Verladung verlief reibungslos. Da stand sie nun, meine treue und dreckige Freundin aus Stahl, mit abgeklemmter Batterie und wartete auf ihr Schicksal. Ich dankte ihr liebevoll und verlies die Lagerhalle.
Eingequetscht zwischen Mann und Restgepäck auf dem Weg nach Talagante dachte ich mir: Gott sei Dank bin ich nicht eine dieser Frauen, die in diesem Zustand mit ihrem Partner um die Welt reisen (müssen)… haha (wo zum Teufel ist dieser Affe auf der Tastatur, der sich die Augen zuhält??? ;) ) … und ich freute mich auf Pata‘s Mutter und Tante, die uns in ihr wunderschönes Zuhause eingeladen hatten, um gemeinsam unsere Rückkehr zu feiern.
Etappe 62 - Laguna Verde - Isla Negra - ca. 100 km
2014 verschlug mich das Leben schon einmal in die Region Isla Negra rund ums Strandhaus des berühmten chilenischen Schriftstellers Pablo Neruda. Am Weg dorthin führte mich damals eine unglückliche Entscheidung in die wohl unfreundlichste Straße von Chile geradeaus in ein Rudel wütender Hunde im nebligen und menschenleeren El Quisco. Damals hätte mir nicht träumen lassen, jemals wieder an diesen Ort zurückzukehren, sollte ich diese Attacke überleben und doch fand ich mich nun im Abril 2023 in einem kleinen Restaurant unweit dieser Straße wieder. Fast 10 Jahre später (aber keinen Funken vernünftiger) musste ich feststelle, dass sich El Quisco im Spätsommer gar nicht so übel präsentierte wie in meiner Erinnerung verankert. Ich schloss letztendlich Frieden mit diesem Dorf und kaufte Souvenirs.
Mein letzter Abend mit meiner kleinen Inderin, deren Kette nun endgültig am Ende war, verlief ebenso friedlich und unspektakulär. Ich selbst war auch am Ende angekommen - glücklich und fertig in vielerlei Hinsicht.
Etappe 61 - Pichidangui - Laguna Verde - ca. 170 km
Der Tag war jung und vielversprechend, sollte er doch der Tag sein, an dem ich nach fast 7 Monaten wieder an einem Ort stehen würde, an dem ich diese Reise einst begonnen hatte. Ein Gefühl von Vertrautheit begleitete mich nach einigen idyllischen und immer noch unbekannten Küstenkilometern, zu deren Highlight ich insgeheim den Ort Papudo kürte, ab dem Roca Oceanica. Die Landzunge der bunten Großstadt Valparaiso war in Sichtweite!
Wir gönnten uns eine köstliche Fajita-Stärkung im regen Treiben der Caleta Portales in Valparaíso, umkreisten die Großstadt entlang der Küste und nahmen Kurs aufs ungewisse Abenteuer von Laguna Verde. Meine Absicht, noch zwei Nächte in einem charmanten, rustikalen Bergspa fernab vom Trubel der Stadt zu genießen, musste ich mir schwer erarbeiten. Die letzte 3 Kilometer hinauf zum angepeilten Parador führten über die mit Abstand furchtbarste „Straße“ der gesamten Reise. Eine enge, steile, kurvige, sandige und in jeder Hinsicht kaputte Schlaglochpiste in einem Labyrinth an noch hässlicheren Alternativen kostete mich den letzten Nerv. Innerlich konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich weinen oder schreien sollte. Mit jedem Meter wurde der Weg gruseliger und an ein Umdrehen war nicht zu denken. Verflucht, in Österreich gab es wenigstens ein Totenkopf Warnschild vor einem ausgesetzten Klettersteig ohne Notausstieg, dachte ich mir - ich war am Rande der Verzweiflung. Gott weiß wie, kam ich an, mit schlottrigen Knien und ungesund hohem Pulsschlag, aber überraschenderweise inklusive aller Körperteile und ohne Unfall. Christof half mir, mein schweres Gefährt im ausnahmslos steilen Gelände des (ironischerweise) „Erholungs“-Resorts zu parken. Die Begrüßung des Gastgebers glich eher einem Therapiegespräch. Ich fürchtete bereits im Moment der Ankunft, die nächsten 48h Angst vor der Abreise haben zu müssten, bis mir der Besitzer unverhofft erklärte, dass es auch eine Alternative zu dieser Straße gegeben hätte…. Das Bier im Badefass schmeckte fantastisch in dieser Nacht.
Etappe 60 - Vicuña - Pichidangui - ca. 350 km
Die Berge nahmen kein Ende. Es wurde immer einsamer und sandiger im ewigen Nichts. Irgendwann gab es nicht einmal mehr Observatorien und der Weg wurde enger und steiler, war jedoch stets mit gewaltigen Ausblicken geschmückt. Nach langen 50 Kilometern auf und ab erreichten wir verschlafene Bergdörfer und erholsamen Asphalt. Die kurvenreiche Straße Richtung Ovalle, ein einziges Eldorado für Motorradreisende, ließ uns sanft beschleunigen bis wir irgendwann schließlich wieder mit rasender Maximal-Reisegeschwindigkeit (100km/h) über die Ruta 5 gegen Süden düsten. Bei Abenddämmerung erreichten wir den Strand von Pichidangui, bauten ein letztes Mal das schützende Zelt auf und verkochten unseren letzten Proviant zu einer schmackhaften Pasta Marinera. Es schien ein würdiger Campingabschluss in Südamerika gewesen zu sein.
Etappe 59 - La Serena - Vicuña - ca. 70 km
Die Stadt hatte ihren Nutzen, denn Christof brauchte dringend eine neue Kette und diese lies sich dort leicht aufstöbern und montieren. Zu meiner großen Überraschung fanden wir in einer Naturoase quasi mitten im Zentrum Asyl, woraufhin wir am nächsten Tag ausgeschlafen und motiviert dem Verkehr in Richtung Berge entkamen. Die „Ruta de las Estrellas“ sollte der letzte große Umweg werden. Da sie mit einer Reihe Observatorien bestückt ist und die Region ca. 350 Sonnentage im Jahr verzeichnet, macht die Straße ihrem Namen alle Ehre. Unweit des Cerro Mamalluca fanden wir in einem Beduinenzelt das idealer Basislager und letztendlich auch meine lange ersehnten Sterne im Nachthimmel. Es war mein erster Blick durch ein Teleskop ins faszinierende Universum.
Da man von einer derart unvorstellbaren Reise in die Vergangenheit demütig seine kurze menschliche Existenz feiern will, ließen wir am nächsten Tag auch das nahe gelegene Pisco Elqui in seinem idyllischen Valle de Pisco nicht unbeachtet und gönnten uns eine Führung mit Verkostung in der Traubenmost Brennerei Fundo los Nichos… :)
Im Naturpark Pan de Azucar wird deutlich, dass großflächig beschissene Steine eigentlich eine elegante Patina haben. Langsam aber sicher fuhren wir durch die Einsamkeit der Nachsaison, in der Lokalbesitzer und Campingplatzbetreiber sich über den einzigen Gast freuten und Naturparkwärter einfach winken und grüßen statt zu kassieren. Die Nacht im Zelt am Strand hatte etwas Magisches, das neben dem Pisco Sour an der Strandbar sicherlich dem beruhigenden aber heftigen Rauschen des Meeres geschuldet war. Es ging mir ganz offensichtlich wieder besser und ich war gerüstet für die folgenden längeren Etappen Richtung La Serena und den unvermeidlichen Gang zum Notar, der mir ins Bewusstsein rief, nun tatsächlich die letzte Woche meiner Motorradreise in Angriff zu nehmen…
Im ehemaligen Salpeterhafen und einstigem Ende von Chile Talal angekommen, musste ich mir eingestehen, dass ich meine Kur hier fortsetzen sollte. Obwohl die toten Seehunde am Strand (wie wir später lernten, einige Opfer der vorherrschenden Vogelgrippe) einen längeren Aufenthalt nicht unbedingt unterstützten, spannten und schmierten wir hier unsere etwas in Mitleidenschaft gezogene Motorradketten und verbrachten zwei ruhige Tage im Rahmen unserer vorherrschenden Gelüste und Möglichkeiten.
Noch nie hatte ich den Kreislauf des Leben irgendwo deutlicher vor Augen als in Taltal. Hunderte von Sardinen waren tot und lebendig in der Bucht von Taltal, was wiederum unzählige Fische, Seehunde, Pelikane und andere Seevögel anlockte. Die toten Seehunde wiederum zogen die weniger toten Straßenhunde an und der Überfluss an Fischbestand zahlreiche Fischer vom Kleinkind bis zum Greis. Ein einziges Fressen und gefressen werden. Am letzten Abend endete Christof‘s x-ter Fischereiversuch für unsere Verhältnisse extrem erfolgreich. Eine in der Materie wesentlich versiertere Familie, die ihr Glück an seiner Seite versuchte, schenkte uns schließlich aus Mitleid einen Monito, einen chilenischen Tunfisch, den wir uns im Hotel zubereiteten und im Innenhof feierlich verspeisten.
Da der Nachthimmel rund um San Pedro stets wolkenverhangen und meine Stargazing Versuche in Chiu Chiu eher von schwindeligen Blitzen im Fiebertraum geprägt waren, nahm ich all meine Energie zusammen und beschloss am späten Nachmittag gegen Süden zu pilgern. Christof war inzwischen wieder an meiner Seite und versuchte liebevoll, mich mit Tee und Früchten aufzupäppeln. Unser gemeinsames Ziel war es, die morgendliche Führung durch das ESO Observatorium am Cerro Paranal mitzuerleben. Dazu fuhren wir im Nachmittagswind vorbei an endlosem Minengelände ins letzte „vernünftige“ Schlaflager: die verrufene Metropole Antofagasta.
Kurz nach Sonnenaufgang fuhr ich mit deutlichem Erholungsmangel und einem Überlebenskeks im Bauch auf das ca. 2600m hoch gelegene Teleskopgelände der berühmten Europäischen Forschungsstation, um zu erfahren, wo mitunter unsere Steuergelder hinfließen. Diese Führung war die Mühe wert, denn auch ganz ohne Sterne weckte der Ort eine einzigartige Faszination, nicht nur wegen der gewaltigen Fernsicht vom Pazifik bis nach Argentinien.
Etappe 53 - San Pedro de Atacama - San Francisco de Chiu Chiu - ca. 130 km
Die darauffolgende Nacht hätte kürzer nicht sein können. Mit groben Halsweh und Gedanken aller Art im Kopf versuchte ich erfolglos Erholung zu finden bis der Wecker um 4:00 läutete. Ich hätte ihn nicht gebraucht. Ich musste mitten in der Nacht mein Hotelzimmer räumen, da ich mir eine Tour zu den Geysiren von El Tatio nicht entgehen lassen wollte. Um 4:40 stand der Minivan vor der Tür und lud mich ein. Wir fuhren durch die Nacht auf 4.200m und frühstückten elegant auf einem Hochplateau neben dem Geysir Blanco im Sonnenaufgang. Die spektakuläre Tour mit unserem engagierten Führer Javier begleitet von Vikuñas, Lamas, Flamingos, Taguas und anderem heimischen Getier war jeden Cent und Schlafmangel wert.
Mit dem Temperaturanstieg von -1°C am Morgen zu 30° Mittagshitze in San Pedro kämpfend verlies ich den Ort glücklich aber geschwächt mit leichtem Fieber, Kopfweh und Schnupfen Richtung San Francisco de Chiu Chiu. Am Windpark über Calama riss mich beinahe ein Minitornado vom Stahlesel und die Anreise vorbei an den Minenort Calama mit seinen hunderten von LKWs und Schwertstarbeitererscheinungsbild sowie unzähligen Friedhöfen im weißen Staub förderte meine morbide Haltung ein bisschen. 130 eher quälende Kilometer trennten mich noch von einem feinen Bettchen im bezaubernden Hotel Sol del Desierto mit hauseigener Sternwarte. Aber dazu später…jetzt gilt es erst einmal gesund zu werden!
Da mir meine Abenteurer-Seele keine großartigen Ruhepausen an einem Ort, an dem es doch soviel zu entdecken gab, gestattete, brach ich gleich am nächsten Tag auf um über mistige Straßen in die Hochebene der Atacamawüste zu rumpeln auf der Suche nach den Termas de Puritama. Dort angekommen wurde mir klar, dass ca. 34°C Wassertemperatur bei ca. 34°C Außentemperatur nur bedingt attraktiv klingen und beschloss stattdessen ins glasklare Wasser des charmanten Río Puritama in der Quebrada de Escalera einzutauchen. Am Abend traf ich die sympathischen chicas aus UK wieder, mit denen ich in Argentinien den 2-tägigen Camping Austritt erleben dürfte. Wir reflektierten und plauderten fröhlich mit Pisco Sour in der Pulpería.
An Tag 2 in San Pedro wechselte ich das Gefährt und begab mich auf eine ehrgeizige Mountainbike Tour ins Valle Catarpe mit seinen imposanten Naturschauspielen. Es war rein landschaftlich gesehen die spektakulärste Radtour meinen Lebens. Die Fahrt führte mich unter anderem durch den zerklüfteten Garganta de Diabolo mit einer verbundenen Bergtour zu einem der wohl gewaltigsten aller Aussichtspunkte, die diese Wüste zu bieten hat. Der steile Anstieg zum eigentlich wegen Erdrutsch gesperrten Tunnel war das Bagatelldelikt wert, mir den Ausblick von dort oben nicht entgehen zu lassen. Von der Sonne verbrannt, von der Höhe gezeichnet und von der Anstrengung körperlich ziemlich zerstört, retournierte ich das Bike mit einem begeisterten Lächeln und freute mich auf‘s schwer verdiente Abendessen.
Etappe 50 - Sayta Ranch - Purmamarca - ca. 200 km
Schweren Herzens nahm ich Abschied von Pferd & Co. und bestritt die spektakuläre Strecke über die dünne Serpentinenstraße durch einen hübschen Urwald über den Pass Abra Santa Laura ins bezaubernde aber recht touristische Bergdorf Purmamarca. Umgeben von den hunderten Farben der Gebirgslandschaft, die zweifelsohne die Wanderlust in mir weckten, schlenderte ich nicht nur im roten Sand über die Berge, sondern auch durch den bunten Straßenbazar des Dorfes. Dass Purmamarca zwar unzählige Hotels, aber keine einzige Tankstelle hatte, musste ich mir dann doch als Planungsfehler eingestehen…;)
Etappe 51 - Purmamarca - Susques - ca. 140 km
Am Folgetag ging es erstmals über den Jujuy Pass auf 4170 Meter zu den Salinas Grandes. Während meine kleine Inderin tapfer in die Höhe rollte, spürte ich die dünne Luft deutlicher, aber zum Glück hatte die Kälte meine leichte Benommenheit durch Sauerstoffmangel wieder neutralisiert. Nach einer verdienten Mate-Pause in der beeindruckenden Salzwüste zog ich weiter in das verlassenen Bergdomizil Susques zur letzten geplanten Übernachtung in Argentinien. Ich wurde einfach aber herzlich verpflegt.
Etappe 52 - Susques - San Pedro de Atacama ca. 270 km
Diese Etappe über den Paso de Jama nach Chile und durch die Reserva Nacional de Flamencos unter wolkenlosem Himmel war eine der Schönsten der gesamten Reise. Jeder Kilometer bot mir ein einzigartiges Naturerlebnis und jeder Fleck Erde lud zum Träumen ein. Salzlagunen, Vulkane, leuchtende Berge, wilde Esel, Vikuñas, Lamas, Flamingos. Einfach kitschig. Am Nachmittag erreichte ich mein nördlichstes angestrebtes Ziel: San Pedro de Atacama. Quartier fand ich in einem eleganten und liebevoll gestalteten Wüstenhotel in dem ich jetzt ein bisschen die Seele baumeln lasse…
Aus irgendeinem Grund lies mich die Idee nicht los, eine ganz bestimmte Ranch in Salta aufzusuchen, bei der ich mich vor Ewigkeiten als Freiwillige beworben hatte. Eine weitere Spinnerei meiner Reise, die ich nicht bereuen sollte. Christof begleitete mich auf die Farm für eine Nacht und zog am nächsten Morgen weiter Richtung Bolivien. Ich hingegen hatte die Straße mittlerweile satt und wollte keine „überflüssigen“ Kilometer mehr addieren. Die Welt schien mir einfach zu groß, um sie in der Kürze dieser Reise zerreißen zu wollen. Also blieb ich ein paar Tage hier, lies meinen Stahlesel unter dem Blechdach schlafen und „sattelte“ wieder Pferde, diesmal allerdings im Nordargentinischen Stil. Die Tage verflogen mit hervorragenden Mahlzeiten, süffigen Wein und vor allem in bester Gesellschaft. Noch so ein Geschenk des Himmels. Muuuchas gracias a Enrique, Federico, Alban, Ava, Isi, Laura, David, Javier, Ñato, Ligera & los demas! ;)
Etappe 49 - Cafayate - Chicoana - ca. 150 km
In dieser rot gefärbte Schlucht wurde der Zauber der Region wie Feenstaub über die Landschaft gestreut. Fossilien aller Art und sagenhafte Felsformationen säumten die perfekt gepflegte Straße. Der Kontrast zwischen den saftigen Grünflächen entlang des Flusses und der tiefroten sandigen Berglandschaft hätte sich kaum eindrucksvoller präsentieren können. Die Fahrt führte uns mit weit aufgerissenen Augen und neu gewonnener Neugierde schließlich in eine steinige Nebenstraße nahe dem touristisch eher vernachlässigten Bauerndorf Chicoana…
Ausgestattet mit Tipps und begleitet von Zufallsfunden aller Art brummten unsere Maschinen weitere 1000 Kilometer in den Norden Argentiniens. Von Sanddünen, Wüstenoasen, bizarren Felsformationen, Mondlandschaften, roten Steingiganten, Inka-Wäldern und Dinosauriern des Chaco secos umgeben fuhren wir auf teils staubigen, teils perfekt asphaltierten Panoramastraßen, die teils spannend ohne Ende und teils zum Einschlafen langweilig waren, in teils heftigen Winden und teils glühender Hitze, dem nächsten Wein Eldorado Cafayate entgegen.
Familien zu viert auf einem Moped teilten mit uns die Straßen. Aus den Werkstätten duftete es um die Mittagszeit allerorts nach gegrilltem Huhn. Die ersten Lamas und Esel grinsten uns vielversprechend und verloren in den ewigen Weiten der Strauchlandschaft an. Die Welt hatte sich in kurzer Zeit schon wieder zu ganz neuer Form gewandelt.
Etappe 43 - Malargüe - Mendoza - ca. 350 km
Es war ein wegweisender Zufallsfund. Das bezaubernde 100 Jahre alte Steinhaus mit Garten in einem Vorort von Mendoza, eingebettet zwischen unzähligen Weinkellern und einer alten Bahntrasse unweit vom quirligen Dorfleben mit hervorragender Infrastruktur, wurde uns von dem vielleicht herzlichsten Gastgebern von Argentinien für fast eine ganze erholsame Woche übergeben. Ich hatte schon beinahe vergessen wie unbeschreiblich schön es ist, viele Tage hintereinander im gleichen Haus aufzuwachen, einen Kühlschrank zu füllen und selbst zu kochen…
Obwohl zwischen Motorrad Service beim örtlichen Royal Enfield Händler in Cuyo und diverses Reparaturen an Mensch und Maschine die Zeit zum Genießen letztendlich kürzer war als erhofft, reichte sie aus, um ausreichend Malbec & Lebensenergie zu tanken, neue Pläne zu schmieden und die Gedanken langsam aber sicher Richtung Norden zu richten...
Wir verbrachten wunderbare Tage mit wunderbaren Menschen, wunderbaren Wein und wunderbaren Gesprächen an einem wunderbaren Ort. Für diese Zeit kann ich nicht genug danken.
Etappe 42 - Chos Malal - Malargüe - ca. 340 km
Man hatte uns gewarnt. Wenige Kilometer vor der berüchtigten Gruselstrecke der Ruta 40 stärkten wir uns mit Äpfel und Mate unter dem so ziemlich einzigen schattenwerfende Baum am Rande einer kleinen Oase im kargen Nichts. Die „verfluchten Hundert“ waren in Wahrheit verfluchte 75 km grob schotterige, staubige, löchrige Dreckpiste mit unzähligen Wüstensand-Verwehungen, die unsere Maschinen ständig ins Schleudern brachten. Ohne diese Herausforderung hätte ich die erstaunliche Landschaft Meter für Meter genießen können, aber die notwendigen konzentrierten Blicke auf den Untergrund trübten den Genuss ein wenig. Das überstandene Abenteuer war jedenfalls Grund genug am Zielort Malargüe gemütlich zu feiern.
Etappe 41 - Río Pichi Picún Leúfu - Chos Malal - ca. 270 km
Der lange Schlag nach Chos Malas zur Mitte der Ruta 40 war gesäumt von prächtigen Ausblicken auf die karge Meseta mit ihren vereinzelten grünen Oasen, bizarren Gesteinsformationen und wechselnden Farben. Die sengende Hitze brachte die lange geraden Asphaltstraßen in der Ferne zum Glühen. Als wir bei Sonnenuntergang ein schnuckeliges Gartenhotel mitten im Staub von Chos Malal erreichten, schien die Welt für einen Augenblick still zu stehen.
Etappe 40 - San Martín de Los Andes - Río Pichi Picún Leúfu - ca. 200 km
In einem Fischerladen von San Martín bekamen wir den Tipp, durch die faszinierende Wüstenlandschaft rund um Pilolil entlang des Río Aluminé und Richtung Parque Laguna Blanca zu fahren. Das bedeutete zwar eine lange dubiose Schotterpiste mehr, wurde aber mit gewaltigen Panoramen belohnt. Ausgestattet mit dem wohl lächerlichsten improvisierten Fischereiwerkzeug aller Zeiten stürzten wir uns auf die Zielgruppe: den zweifellos dämlichsten Fische Argentiniens mit irreparablen Hirnschaden und Selbstmordallüren. Unsere dilettantischen Fischversuche blieben weiterhin erfolglos.
Der Staub und die Hitze zwangen uns am späten Nachmittag zu einem Zufallsstop unter einer Brücke, der sich als Tor zu einem ungeahnten Paradis erweisen sollte. Drei sympathische argentinische Motorradfahrer, die uns bereits in den zauberhaften Wäldern rund um Bariloche gesichtet hatten, erzählten uns von der vorherrschenden Vogelgrippe an der Laguna Blanca und den damit verbunden Beschränkungen, woraufhin wir alle beschlossen, die Nacht am Fluss an Ort und Stelle zu campieren. Der Blick aus dem „Schlafzimmerfenster“ ins Naturswimmingpool war so unbezahlbar wie der Abend und der darauffolgende Morgen in dieser freundlichen Gesellschaft.
Etappe 39 - Lago Perito Moreno - San Martín de Los Andes - ca. 220 km
San Martín de Los Andes inspirierte mich zum Lieder komponieren, die bei Abreise stundenlang in meinen Helm sang - so wohltuend und aufbauend empfand in die beiden gemütlichen Nächte im Hotelzimmer, die unspektakulären Spaziergänge durch die quirligen Straßen des modänen Skiorts und den Tag am Strand gefüllt mit Nichts außer in die Luft schauen und dahin sinnieren. Lebensenergie tanken.
Etappe 38 - El Bolsón - Bariloche - Lago Perito Moreno - ca. 170 km
Eine junge brittische Künstlerin erfrischte die Frühstücksgespräche im Waldhaus bis wir gegen Mittag - von Hunden verfolgt und auch begleitet - die Abreise wagten und anschließend eine lange Fahrt nach Bariloche und rund um die argentinische Schweiz unternahmen. Hinter den dreckigen Suburbs treibt zweifellos die Schickeria Argentiniens ihr Spiel und Unwesen. Man wühlt sich - sogar mit einem Motorrad - durch den Urlaubsverkehr vorbei an hoffnungslos verbauten Seen und Menschenmassen. Kein Ort zum lange Verweilen für meinen Geschmack, sehr wohl aber ein Ort für kulinarische Hochgenüsse. Müde und ein wenig antriebslos fand ich meinen Frieden letztendlich an einem kitschig schönen Waldcampingplatz am Lago Perito Moreno nahe der Colonia Suiza.
Als ich so dalag in meinen vom Aluminiumabrieb verschmierten Klamotten auf der in Motoröl getränkten Luftmatratze und versuchte, mich an die letzte Dusche zu erinnern, verdrängte schließlich die überwältigende Müdigkeit meine kreisenden Gedanken.
Der nächtliche Sturm wehte beinahe unser Zelt 50km weiter in die gepflegte Hautevolee von Bariloche, mit dem Ausblick von unserem Frühstückstisch aber befanden wir uns auf gleicher Ebene - mit dem Herzen unter Umständen darüber.
Etappe 37 - Parque National Los Alerces - El Bolsón - ca. 130 km
Der Río Arrayanes mit seinem Myrten Labyrinth in schillernden Farben unter dem wechselhaften Himmel hatte mich 2 Tage lang gefesselt ehe ich den Versuch startete, die löchrige Ausfahrt durch den Wald zu überleben. Ich musste Gas geben, denn ein Stehenbleiben hätte den sicheren Unfall bedeutet. Es war für mich der unausweichliche Adrenalin-Kick des Tages gefolgt von einer idyllischen Fahrt zum Lago Puelo.
Im Hippy Eldorado El Bolsón führte ein langer, steiler und staubiger Weg in ein Baumhaus, dass ich „versehentlich“ im Internet reserviert hatte. Wir bekamen die „Honeymoon Sweet“ - eine traurige Matratze auf einer schwindeligen Palette. Wir beschlossen einstimmig, zügig die nächste Cerveceria auszusuchen und sich für den dunklen Rückweg vorbei an den wütenden Straßenkötern ausreichend Mut anzutrinken. Nach einer gediegenen Foodtruck Fiesta und einem mitternächtlichen Privatkonzert der örtlichen Bailador Musiker in der letzten im Staub versteckten Restrobar vor dem Wald wackelten wir glücklich begeistert und erfolgreich bedudelt unserem Schicksal entgegen…
Etappe 36 - Futaleufu - Parque National Los Alerces - ca. 100 km
Ein paar Stolpersteine des Leben lassen sich auch mit einem Enduro Motorrad nicht so leicht umfahren. Man kann es lediglich versuchen. Idealerweise im Bewusstsein, dass man entweder Gefahr läuft zu scheitern oder auch das Glück hat, zu gewinnen. Wer mit einer positiven obgleich realistischen Grundeinstellung etwas wagt - vor allem aber in Dankbarkeit, dass ein Versuch überhaupt möglich ist - hat schon gewonnen, auch wenn er scheitert. Am Ende des Lebens bereut meistens nur die Dinge, die man nicht getan hat. Ich denke, das oder etwas Ähnliches wollte mir der Großvater „Lahuán“, der angeblich 3000 Jahre alte Alerce Baum am zauberhaftesten Ort Argentiniens, den ich bis dato gesehen hatte - heute irgendwie mitteilen.
Wir stürzten uns gekonnt ins Dorfleben und verbrachten einen Tag voller Frieden und Gemütlichkeit. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute…
Etappe 34 - Gobernador Costa - Esquel - ca. 180 km
Während mein Aufenthalt in G.Costa mit Motorrad reparieren in einer alten Bäckerei erfüllt war, verbrachte auch Christof seinen Tag in Esquel bei einem sympathischen Mechaniker zuhause mit dem Einbau eines neuen Lenkkopflagers. Zuvor hatten wir im Gedanken an meine lieben Arbeitskollegen am Bahnhof von Esquel die alte Dampflok „La Trochita“ besucht. Neu sortiert, repariert, gewaschen und beladen mit gefühlten 3 Kilo argentinischem Bargeld von Western Union verließen wir am nächsten Morgen wieder die freundlich asphaltierte Straße Richtung Landesgrenze für einen weiteren Abstecher nach Chile…
Die mistige 70km lange Schotterpiste der legendären Ruta 40 vorbei am Lago Cardiel kostete mich Nerven und Material. Der beschwerliche Weg war stellenweise ein einziger grober Steinehaufen, der mich gleich 2 mal zu Boden warf. Beim ersten Sturz war sicherlich mein Übermut, dort so schnell wie möglich wegzukommen, hauptverantwortlich, meine bis dato tief verborgenen Rally Allüren kurzfristig auszupacken. Die Feder meines Seitenständers ging verloren und mein Kupplungshebel war verbogen. Zu meinem Glück stand mir Christof mit Fürsorge, Einfallsreichtum und technischem Geschick hilfreich zur Seite.
Man quält sich regelrecht durch die Pampa, denn die Fahrt ist weit, windig, eiskalt und elendiglich lang. Hin und wieder unterbricht ein Schlagloch-Slalom die Monotonie. Haupttagesprogramm: in Gedanken versinken, durchhalten, Guanakos anhupen, tanken, aufwärmen, ernähren, schlafen, Stahlesel satteln, repeat. Angetrieben wird man nur vom brummenden Motor und von dem sporadisch auflodernden Hoffnungsschimmer, bald wieder eine warme Tasse Tee in den erfrorenen Händen halten zu dürfen und irgendwann wieder eine lebensfreundlichere Klimazone zu erreichen.
Man fühlt sich nicht nur von der idyllischen Anreise belohnt, wenn man andächtig die gewaltigen Eismassen des Perito Moreno Gletschers unter der Sonne aus unmittelbarer Nähe beobachten darf. Die Natur hat schon spektakuläre Kunstwerke geschaffen.
Aufgeladen mit Eindrücken sahen wir wieder gemeinsam einem neuen spannenden Abenteuer entgegen: der Fahrt ins Bergsteigermekka El Chaltén und einer 2 tägigen Trekking Tour zu deren Königen Fitz Roy und Cerro Torre. Die stürmischen Anfahrt war nichts für Warmduscher. Genauso wenig wie die ca. 30km lange Wanderung durch Wind und Regen in der Hoffnung zumindest Umrisse der wolkenverhangenen Giganten für einen Augenblick erspähen zu dürfen. Da Letzteres nur mit ausreichend Fantasie zu erleben war, sah ich das eigentliche Highlight dieser Bergtour einerseits in dem zauberhaften Regenbogen, der uns stundenlang die Kulisse verschönte, vor allem aber in der mystischen Nacht im Zelt irgendwo im Nirgendwo hoch oben in einem argentinischen Wald wo ich vom Brüllen des Windes und vom Prasseln der Regentropfen auf die Zeltplane in meine Träume getragen wurde…
Etappe 27 - San Gregorio - Río Gallegos - Calafate - ca. 400km
Es war höchste Zeit die vorerst letzte Gewaltetappe durch Pampa, Wind und Grenzübertritte zu programmieren. Frühmorgens aber später als gewollt verließ ich den eher düsteren und staubigen Ort Richtung Paso de Integración Austral nach Argentinien. Der Grenzübertritt ging schneller als erwartet, zumal mich eine sympathische, mütterliche Zollbeamtin zwischen den ganzen LKWs und ohne Kontrolle vorbei ließ… ich musste ohne Unterbrechungen in den Norden düsen, um den Nachmittagssturm, der frontal auf mich zukam, so gut wie möglich zu entwischen. „Düsen“ heißt in dem Fall mit 55km/h gegen den Wind tuckern, um die Maschine nicht zu überlasten…:)
In Calafate angekommen war ich unbeschreiblich glücklich hier ein paar Tage in einem gemütlichen Hotel mit kitschig schönem Ausblick chillen und sinnlos durch die Gassen flanieren zu dürfen. Die 2 überschaubar kurzen Ausflüge zu einer argentinischen Jineteada vor Ort und zu den Cuevas de Gualicho störten meinen Schlaf kaum.
Wir wollten gemeinsam ans argentinische „Ende der Welt“ und dort waren wir auch. Centolla Empanadas essen und träumen en La Tierra del Fuego. Schilder fotografieren oder auch nicht. Jeder für sich und doch zusammen. Wir hatten eine schöne Zeit und definitiv das Glück, alle Verrückten der Insel auf die ein oder andere Weise kennenlernen zu dürfen - vom bedauerlicherweise bereits verstorbenen Camping Hain Roberto bis zum sehr lebendigen Motorrad -Guro Miguel de Río Grande. Wir fuhren hunderte Kilometer durch eine unerwartete Hitze sowie durch peitschenden Wind über verlassene Guanako Straßen. Wundersame Ausblicke in eine schier endlose Weite begleiteten uns durch die ganze Insel bis wir müde und voller Eindrücke das Durchreisekaff San Gregorio erreichten. Hier sollten sich unser Wege wieder für eine kurze Weile trennen…
Am 26.1.2023 sollte meine „sola en moto“- Reise vorerst ein Ende nehmen, denn Christof hatte sich kurz entschlossen mit tatkräftiger Unterstützung der wunderbaren Mama Marianela in Santiago eine gleich konfigurierte Himalayan gekauft und folgte auf diesem Gefährt mehr oder weniger allen meinen Spuren bis Punta Arenas…
Zwei Tage lang genossen wir ein bisschen Gemütlichkeit zu zweit und mit neu gewonnen Freunden. Die Zeit war ideal, um diverse Reparaturen zu erledigen. Offenbar hatte ich am Carretera Austral meine Rücklichter plus Gepäcksträgerstange verloren, was mir erstaunlich spät und überhaupt erst mit Christofs Hilfe aufgefallen ist. Das war einer dieser Momente in meinem Leben, in denen ich mir zweifellos die Frage stellen musste, wie ich überhaupt so lange überleben konnte. Tal vez wegen meinem Schutzengerl... ;)
Puerto Williams - Canal Beagle- Isla Darwin - Caleta Borracho - Canal Murray - Caleta Duck - Cabo de Hornos - Puerto Toro - Puerto Williams - ca. 350 sm
Man könnte Wände tapezieren mit all den Geschichten, die wir in den letzten 10 Tagen gehört und erlebt haben, doch da der Mythos, den das Leben am Ende der Welt mit sich bringt, zu bedeutend ist, um alle Einzelheiten darzulegen, werde ich hier zurückhaltend die Eckpunkte zusammenfassen:
Da waren 5 einzigartige und besondere Menschen an Board des Nauticat 42 “Alfin“, die alle mehr oder weniger dasselbe Ziel hatten, ohne es rücksichtslos herausfordern zu wollen. Womöglich haben wir es deswegen auch erreicht. Wahrscheinlich aber nur, weil unser Skipper Osvaldo eigentlich ein Magier ist. Er hat die dunklen, apokalyptischen Sturmwolken stets hinter unser Schiff gezaubert. Er hat die Sonne über den Gletschern platziert, damit der Gletschereis-Whisky in seiner vollsten Pracht erstrahlt. Er hat Seehunde aus rostigen Wracks springen, Pinguine auftauchen, Wal-Fontänen sprudeln und Delfine tanzen lassen. Er hat uns sicher und unter Segel um das berühmt-berüchtigte Kap Horn gebracht. Es war Kitschig. Atemberaubend. Surreal.
Nebenbei wurden wir so außergewöhnlich gut verköstigt, dass ich nun dringend eine Diät mit Sportprogramm starten und mich wieder bescheiden meinem Studium widmen sollte. Also mañana versteht sich. Heute träume ich noch von einer parallelen Welt in der ein kleiner weißer Fleck am Horizont gemütlich, mutig und alleine in die Ferne zieht und trinke Mate.
Die Fähre sollte gegen Mitternacht auslaufen. Dem war nicht so. Die Folgeinfo: am nächsten Tag gegen Mittag. Das is auch nicht passiert. Es hieß warten, hoffen und ahnungslos im Hafenbecken herumdümpeln. Ich nutzte die Zeit zum Lesen und für einem Spaziergang im Wind. 24h später gegen 1700 war es dann endlich soweit: wir legten guter Dinge ab. 10 Minuten später machten wir wieder kehrt. Die Besatzung hatte Passagiere vergessen. :D
Als wir endlich den richtigen Kurs aufnahmen, war die Stimmung am Bord am Höhepunkt. 300 Seemeilen durch die legendären Wasserstraßen rund um Feuerland lagen vor uns. Die Reise führte uns 32h lang vorbei an einsamen, mystisch verwachsenen Inseln, blauen Gletschern, die ins Meer stützten, Delfinen, Seelöwen und einem Wal. Mit dem Ausblick auf die Nachtbeleuchtung des argentinischen Ushuaia wurde der Himmel langsam dunkler…
Gegen 1:30Uhr Früh betrat ich beladen mit 20kg Gemüse, Brot, Wein und meinem Rucksack das Festland der Insel Navarino und damit mein angepeiltes „Ende der Welt“: Puerto Williams!
Unser Skipper Osvaldo hat mich dort herzlichst in Empfang genommen und wie es sich gehört sogleich zur Feier des Tages in die nächste Bar gebracht…:D
Etappe 21 - Laguna Sofia - Punta Arenas - 260km
Am 9.1.2023 verlies ich die Farm und rollte die vom Wind gepeitschte Ruta 9 entlang Richtung Punta Arenas. Ich wurde unglaublich herzlich von Osvaldo‘s Freunden Pablo und Pamela empfangen, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen und bekam bei dieser wunderbaren Familie das wohl liebevollste Asyl meiner ganzen Reise. Zudem wurde ich 3 Tage mit allerlei Köstlichkeiten verwöhnt und meine kleine Inderin bekam einen hübschen Parkplatz für die nächsten Wochen. Keine Ahnung womit ich das alles verdient habe aber ich bin unendlich dankbar dafür.
Mein Stahlesel war nach fast 6000 km reif für ein ordentliches Service und ich fand dafür den idealen Ort beim sympathischen Mechaniker und Märklinisten Salva im Motorradladen La Guarida.
Da diese Mission schneller erledigt war als erwartet, fand ich am Folgetag auch Zeit Richtung Südspitze des chilenischen Festlandes zum Leuchtturm San Isidro aufzubrechen. Am Ende der Schotterpiste war ich allerdings noch 4km weit weg davon und beschloss, mich nach einer gemütlichen Wanderung mit dem Leuchtturm in Sichtweite zu begnügen.
In diesen Tagen stand Einkaufen und Vorbereitungen für den Segeltörn ab Porto Williams an 1.Stelle.
Die Fähre nach Puerto Williams lief rechtzeitig und vollbeladen aus und steuerte zielstrebig durch die Magellanstrasse, aber schon nach wenigen Stunden mussten wir wegen einem Motorschaden umkehren. Nun sitz ich hier am Boot im Fährhafen und frage mich, ob wir wirklich jemals ankommen. Ojala mañana…:)
Wie an vielen Orten dieser Welt, wurde auch in Chile gefeiert, gelebt und geliebt. Für mich dieses Jahr allerdings ohne Walzer, Feuerwerk und Neujahrskonzert aber mit gut gemeinten Essen, unzähligen Getränken und vor allem in sympathischer Gesellschaft. Zum ersten Mal seit Jahren habe ich absolut keine Ahnung was in der Welt um mich herum passiert ist. Ich habe keinen Rückblick gesehen und keine Zeitung gelesen. Ich verbrachte den Jahreswechsel verträumt im Augenblick sowie auch meine letzten Tage auf der Farm Laguna Sofia mit allerlei Blödeleien, Alltagstätigkeiten und netten Gesprächen.
An meinen verbliebenen 2 freien Tage beschloss ich noch einmal nach Natales aufzubrechen, mir im Kino Avatar II in 3D anzuschauen und plante eine unvergessliche Exkursion zur Peninsula. Ich mietete ein Mountainbike und lies mich frühmorgens für ein Trinkgeld vom Fischer Zapato Brujo zusammen mit dem Bike auf die sehr verlassenen Insel überstellen. Den Tag dort verbrachte ich auf 50km zum Teil spektakulären Mountainbike Routen. Ich sah stundenlang keinen Menschen und ging im dichten Wald verloren, bis mich Pferdekacke Spuren wieder auf den rechten Weg führten. Die erste deutliche Wegmarkierung zu sichten war schon eine gewaltige Erleichterung.
Um dieses Gelände am Fuße des Cerro Ballena zu erreichen muss man sich auf das Territorium der Estancia Bahia Esperanza begeben. Zu meinem großen Glück traf ich dort auf einen der Teilbesitzer Gregorio mit seiner unfassbar herzlichen Familie. Nach meiner Rückkehr von diesem Drahtesel Austritt durch die atemberaubende Naturkulisse der Estancia wurde ich von dieser Familie zum Essen eingelassen und ich freute mich riesig über die guten Gespräche und über diese wertvolle Zeit! Glücklich und energiegeladen radelte ich zurück zu Lui‘s Shuttle-Boot und grinste der Skyline von Natales entgegen, die immer näher kam.
Zurück auf der Farm herrschte der ganz normale Wahnsinn. Bombacha‘s Mama Daisy ist auf mysteriöse Weise umgekommen. Die junge Sirena hat ganz stolz für uns Brot gebacken. Die chicos im refugio beschimpften und verarschten sich täglich gegenseitig mit viel Humor und Leidenschaft. Jonas hat mit seiner Begeisterung für das kleine, fette und ungestüme Pferd la Petalo unzählige Male für Gelächter gesorgt. Coti und ich haben Nachschub an Mama’s Rumkugel angefertigt. Melky’s Kletterkünste gipfelten beim Baumbesteigen mit zwei Eispickel. Coto‘s Sohn Tate hat uns viele Stunden bühnenreif mit seiner Gitarre unterhalten…Die Tage vergingen wie im Sturzflug. Mein „Abschied“ wurde zwei mal mit Coti’s hervorragenden Tacos zelebriert und die Chefin Paula schenkte mir ein T-Shirt.
Nach einem Mädlsausflug zum Zoro und so einigen unterhaltsamen Touristenausritten, hatte sich diese Landschaft in etwas Vertrautes und Heimeliges verwandelt. Ein eigentümlicher Frieden verband mich mit diesem Ort und trotzdem spürte ich, dass ich auch hier nur eine Durchreisende war. Eines Tages wird man wahrscheinlich meinen Namen vergessen haben oder mich verwechseln. Ich jedenfalls werde diesen Ort und meine Gefährten hier niemals vergessen und ich bereue keine Sekunde, mich darauf eingelassen zu haben. Es war mir ein Volksfest! :)
Die Vorweihnachtsstimmung in Patagonien war schon sehr einzigartig. Ich hatte alles Mögliche im Kopf, nur nicht Weihnachten. Der fehlende Schnee, der fehlende Duft nach Zimt und Glühwein sowie die fehlende Familie waren nur ein paar Gründe. Die Zeit verging und plötzlich stand Weihnachten vor der Tür…
Da wir chilenisch wichtelten, begab ich mich auf Geschenksuche für meinen „amigo secreto“ und versuchte Mama‘s weltbeste Kekse nachzubacken mit all dem was hier eben Vergleichbares an Zutaten aufzufinden war. Das Resultat wurde entweder aus ehrlicher Begeisterung oder aus Höflichkeit zügig verspeist, aber ich denke, meine Mama hat mich gut unterrichtet.
Es war ein Zufall, dass wir 3 Tage vor Weihnachten einen „waschechten“ Sommertag genießen durften, also gingen wir baden in der Lagune. Wir sollten eine Bojenabsperrung für die Pferde basteln und nutzen die Gelegenheit, eine Mittagspause am Strand zu verbringen. Meine junge Kollegin und Freundin Sirena hat es fast 1 Stunde im kalten Wasser ausgehalten. Den Tag darauf streunte ich wieder eingepackt in 3 Schichten, Wollmütze und Handschuhe durch die Gegend. Das einzig Beständige am patagonischen Wetter ist die Veränderung.
Der Weihnachtsabend selbst war wie die Tage davor und danach flüssig und unterhaltsam. Mein Beitrag zum Fest war neben den Keksen, das Lied „Stille Nacht“ auf der Harmonika vorzuspielen. Das Beste daran war vermutlich, dass keiner den Raum verlassen hat.
Die Wochen vergehen wie ein Augenblick, friedlich, mystisch und intensiv. Ich lerne immer mehr Routen und Pferde kennen, verstehe die Menschen hier täglich besser, obwohl sie häufig plaudern wie angetrunkene Südkärntner. Jedenfalls erlebe ich hier täglich Humor, Optimismus und eine Hilfsbereitschaft, die in dieser Welt seinesgleichen sucht. Ich bin hier mitunter den wertvollsten Menschen meines Lebens begegnet und obwohl es auch hier keine Sonne ohne Schattenseite gibt, scheint die Sonne hier sehr viel länger und intensiver im Himmel und im Herzen - zumindest für mich.
Morgen geht das Jahr 2022 zu Ende, ein Jahr voller Ereignisse und Veränderungen, ein Jahr voller Tatendrang und Abenteuer, ein Jahr voller Frieden und Freude, vor allem aber voller neuer Bekanntschaften und wertvoller Erkenntnisse. In aufrichtiger Dankbarkeit darf ich feststellen: es war ein wunderbares Jahr für mich und ich hoffe auch für Euch, die diese Zeilen lesen. In diesem Sinne wünsche ich Euch allen einen Guten Rutsch und ein fantastisches Jahr 2023 in jeder Hinsicht! Feiert’s gscheit, das Leben ist es wert. Prost!
Gestern habe ich tatsächlich darüber nachgedacht, welches Jahr wir gerade haben. Wenn mich nicht ab und zu Touristen daran erinnern würden, wo ich eigentlich herkomme und welcher Tag heute ist, wäre ich kontinuierlich verblendet in dieser anderen Welt. Ich habe seit Monaten keine Zeitung gelesen und keine Ahnung wie viele neue Bundeskanzler wir inzwischen wieder hatten… Ich räume täglich Pferdekacke in eine Schubkarre und es geht mir gut. Mit unter auch, weil diese Tätigkeit in der Natur mir hilft, alle Abenteuer meines Lebens zu verarbeiten und zu mir selbst zu finden. Mittlerweile ritt ich mit Ferrut, Foguina und la Petiza, alle schöne und unterhaltsame Pferde und jedes Mal fühle ich mich sattelfester als zuvor.
Meine ersten freien Tage habe ich recht spannend genützt. Neben einen Kommunikationsausflug nach Puerto Natales, stand die Mission auf dem Program, nach Argentinien zu düsen um mein Visum zu erneuern. Über dem Paso Dorotea funktionierte das wie erwartet ein wenig bürokratisch aber absolut reibungslos. Im Nachbarland angekommen gab es eher wenig Spektakuläres zu entdecken, bis auf ein Mine und einen Bahnhof…;) Das Beste waren die Empanadas im Restaurant Lechuza in Rio Turbio und mein Einkauf an Mate, Kuchen und diversen Getränken zu Verkostungszwecken, die ich überraschenderweise alle unkompliziert zurück nach Chile mitführen durfte.
Ein paar Tage später begannen weitere intensive 4 Urlaubstage in Punta Arenas und im Torres de Paine Nationalpark. Früh morgens, am 5.12. fuhr ich nach Natales. Meine erste Mission war es, mich mit dem Sicherheitschef von Busbahnhof anzufreunden, der sich liebevoll um mein Motorrad kümmerte, während ich nach Punta Arenas aufbrach. Die 6 stündige Fahrt hin und retour über eine windige gerade Straße ist so doch etwas gemütlicher im Bus. Unten angekommen traf ich Osvaldo, meinen Skipper für den Feuerland Segeltörn, wieder. Wir verbrachten eine feine Zeit zusammen mit allen notwendigen Erledigungen, Pisco und Guanako Steaks.
Am nächsten Morgen ging es zeitig zurück, denn ich hatte einen Ausflug in den Park Torres de Paine geplant und mit Vorlaufzeit gebucht, was hier leider unvermeidbar ist. Neugierig und gespannt, was mich dort erwarten würde, holte ich mein Motorrad in Kälte und Graupelschauer am Busbahnhof ab und fuhr bepackt mit Proviant 120km im eisigen Nieselregel Richtung Nordeingang Laguna Amarga. Die Zufahrten waren zum Teil gesperrt und zwangen mich, den ein oder anderen ungewissen Weg zu nehmen. Schon bald aber sollte ich im Park ankommen und fand mich in einer Guanako Oase zwischen Wasserfällen, türkisen Flüssen und mystischen Bergformationen wieder. Im Camping Central gelandet und zwangsläufig gestrandet, richtete ich meinen Zeltplatz ein, kochte ein Experiment aus Chilisauce und Thunfisch und ging gemeinsam mit meiner Daunenjacke und einer Plastikflasche gefüllt mit heißem Wasser schlafen. Die minus 8°C zwangen mich dazu von kompromisloser Gemütlichkeit maximal zu träumen...
Um 5 Uhr früh zum Sonnenaufgang war mein Motorrad voller Eiskristalle und der Campingplatz noch ziemlich still, aber da ich wusste, dass meine Route lang und das Ziel „Base de los Torres“ der Hauptgrund jeder Wanderung ist, wollte ich keinesfalls beim Aufstieg im Stau stehen. Das Wetter war hervorragend und das Ziel extrem imposant. Die 8 stündige Tour absolvierte ich letztendlich in 6 Stunden und obschon mir unzählige Menschen am Rückweg begegneten, war ich beim Aufstieg fast alleine. Gegen Mittag lagen noch 17km Fussmarsch vor mir bis zu meinem Refugio Domos Frances..
Meinen Mittagsschlaf verbrachte ich erschöpft aber glücklich bei einer Lagune im Gras und ich erreichte mein Nachtlager gegen 8:00 Abends. Am nächsten Morgen war der Wettergott nicht ganz so gnädig. Den bezaubernden Weg durch das Tal Valle Frances mit seinem Aussichtspunkt Mirador Britanico und den langen Weg zur Fähre absolvierte ich im Nebel und Nieselregen. Ca. 55km und über 3000hm später war meine Trekkinglust dann auch gestillt und ich freute mich auf einen Gute Nacht Drink in netter Gesellschaft und noch viel mehr als das auf meinen Schlafsack. Der nächste Morgen war zu meinem großen Glück wieder sonnig und ‚warm‘, ein Geschenk des Himmels. Also kurvte ich wieder ausgerüstet mit 2 Rädern unterm Hintern weitere 140 km kreuz und quer durch die spektakuläre Landschaft.
Als ich wieder auf der Estancia ankam gab es viel zu erzählen. Die Schafe waren verschwunden und mit ihnen der Hund „Nosé“, der darauf aufpassen sollte. Das älteste Pferd im Stall ist gestorben, der Hund Daisy hat einen Winzling geboren und eine blinde Kuh ist im Sumpf stecken geblieben. Wir mussten also die Kuh da wieder rausholen, ein einzigartiges Willkommen zurück-Erlebnis. 300 Kilo Kuh, die bis zum Kopf im Morast versunken ist, lässt sich verdammt schwer bewegen, aber mit 2 Pferden und einer Bondageparty geht‘s dann doch irgendwie. Grund genug den Abend ordentlich zu feiern.
Unglücklicherweise ist die Kuh den Tag darauf gleich wieder in den nächsten Gatschbach gestürzt und bei der Suche nach ihr habe ich mein Handy in den verwilderten Auen verloren. Die stundenlange Suche nach dem Telefon blieb bis heute leider genauso erfolglos wie die Suche nach den Schafen, aber der Wunsch und die Hoffnung auf Erfolg gaben den Antrieb für zahlreiche Anläufe. Zumindest durfte ich wieder reiten und am Ende der Schafsuchaktion bin ich bei meinem ersten Versuch, „a pelo“, also ohne Sattel und Zügel, zu den Stallungen zu reiten gleich wieder vom Pferd gefallen. Es wollte deutlich mehr Gas geben als ich. Ich bin aufgestanden, habe gelacht und freue mich heute schon auf den nächsten Versuch…:)
Abschalten und untertauchen ist Fluch und Segen gleichzeitig. Ich musste erst mein Telefon verlieren, um zu merken welcher Teil davon der Fluch ist. So sehr ich es auch genossen habe, einmal völlig abzuschalten, so sehr fehlt mir jetzt auch die Möglichkeit, Nachrichten von meinen Lieblingsmenschen zuhause zu bekommen. Daher werd ich morgen in die Stadt fahren, eine neue Simkarte kaufen und euch dieses Update schicken. Vielleicht kann ich dann wieder friedlich schlafen. Macht euch also bitte keine Sorgen, wenn meine Berichte hier etwas seltener werden… ich bin schon fast am Ende der Welt. Jedenfalls aber am Arsch der Welt. Trink‘s a Glaserl Glühwein für mich mit daheim. Schönen Advent, Prost & Bussi aus Patagonien!
Der Morgen des 15.11.2022 in Puerto Natales verflog wie ein Augenblick. Voller Tatendrang erledigte ich meine letzen Besorgungen, suchte einen lange überfälligen Waschsalon auf und sattelte noch einmal meinen Stahlesel. Als ich vom berühmten Postkarten-Steg in Natales die Ruta 9 nach Norden ansteuert, einer (endlich wieder) wunderbaren Asphaltstrasse spürte ich die nächste Herausforderung: Wind. Viel Wind. Man sollte die Hände schon an der Lenkstange lassen.
Am frühen Nachmittag bog ich für die vorerst letzten 7km in eine gemütliche Schotterstraße ein, die einer spektakulären Kulisse entgegen zur Laguna Sofía führte und somit auch zur der „Estancia“, auf der ich die nächsten 2 Monate leben und arbeiten werde.
Vom ersten Augenblick an war ich hingerissen. Die Szenerie war einzigartig, die Menschen unfassbar warmherzig, freundlich und entspannt. Die gewaltige Natur verzauberte mich mit jedem Blick ein Stück mehr. Alles war sauber und liebevoll gepflegt, in jeder Hinsicht einladend und wohltuend. Viele Möbelstücke und Gegenstände in jedem Haus waren Kunstwerke für sich und die Nähe zu all den faszinierenden Tieren, die hier ihre Heimat gefunden haben, war vom ersten Moment an Balsam für meine Seele. Neben den majestätischen Pferden, leben hier Rinder, Schafe, belgische Schäferhunde und Bordercollies, im Himmel ziehen Kondore, Adler und Falken ihre Bahnen. Hasen springen durch die Büsche und Pumas verstecken sich in den Wäldern. Der Ort übertraf meine kühnsten Erwartungen und alles bisher Gesehene.
Am ersten Tag durfte ich bereits bei einem Ausritt mit dem Baqueano „Machete“ teilnehmen und mein Pferd Carolin war recht umgänglich und gutmütig mit mir, obwohl ich spätestens beim ersten Galoppier-Versuch eher das Gefühl hatte, Carolin hätte die Zügel in der Hand - nicht umgekehrt. Nach dem Ausritt kam ein junges Pferd zur Welt, vor unseren Augen unternahm es seine ersten Stehversuche, sein erstes Geschäft, seine ersten verwirrten und neugierigen Schritte ins Leben. Wunderschön so etwas mitansehen zu dürfen.
Die für mich extrem wertvolle Therapie neben all diesen Wundern der Natur, die - solange nichts Dramatisches passiert - mir meine ewig herbei ersehnte Ruhe garantiert, ist die Tatsache, dass es hier kein Internet und kaum je Telefonempfang gibt. Mein Netz sendet und empfängt - wenn überhaupt max. 1x täglich für wenige Minuten Whatsapp Nachrichten. Sonst nichts. Ich „kann“ nicht abschalten. Ich muss. Herrlich.
Beim 2. Reitversuch bin in gleich von Pferd gestürzt, weil ich den Sattel nicht ordentlich festgezurrt hatte, aber so (oder ähnlich) beginnen alle Reitkarrieren, meinten meine Kollegen beschwichtigend. :)
Am 3. Tag begann dann bedauerlicher Weise meine. 1. Patagonische Erkältung, die mich leider zwei Tage ans Bett fesselte. Offenbar trifft das alle Neuankömmlinge früher oder später. Ein Zaubertrank und viele Stunden Schlafen später war ich wieder repariert.
Die Ereignisse auf dieser Farm sind entzückend überschaubar: Pferdeausritte für Touristen durchführen, Stall und Ausrüstung pflegen, Pferdekacke verräumen, „Cordero al Palo“ anbieten (eine traditionelle Zubereitungsart von Lammfleisch, das an ein Eisenkreuz gebunden und langsam über offenem Feuer gegrillt wird), Trekking- und Campinggäste empfangen, Kochen für die Crew und immer alles schön sauber halten. Abends bzw. bei jeder Gelegenheit im Refugio Game of Thrones schauen.
Sie nennen mich alle Nani. Ein Grund mehr mich aufgehoben und heimelig zu fühlen. Mittlerweile habe ich meine ersten 2 Wochen auf der Farm verbracht und bin nach wie vor begeistert. Ich bekomme jedes Mal ein neues Pferd, nach Caroline kam die ungeduldige „Blanquita“ und nach ihr die sture „Rusa“. Gestern bei meinem 4.Ausritt mit dem Pferd „Estampa“ hatte ich das erste Mal das Gefühl für eine kurze Weile zu Galoppieren wie jemand, der weiß was er tut. Da schießt einem ganz schön Adrenalin ins Blut wenn man auf so einem Tier über die Gräser fetzt und es einem tatsächlich zum 1. Mal gelingt, im Rhythmus des Pferdes auf dessen Rücken durch die wilde Landschaft zu fliegen…
Man fühlt sich bald wie ein „Guanako“ am Wasser. Man ißt was man bekommt, man schläft auf dem Sitz, wenn man kann und man schaut… Man schaut hinaus in die endlose Weite an unbesiedelten und unentdeckten Land, bestaunt tausende Wasserfälle, die sich von allen Seiten ins Meere stürzen, himmelblaue Gletscher blitzen aus dem Bergmassiv hervor, immerzu in einem mysteriösen Wolkenschleier gedeckt. 48 Stunden lang.
Die Fähre legte kurz nach Abfahrt noch einmal Nachts in Caleta Tortel an, um Radfahrer und Rucksacktouristen aufzuklauben, wertvolle Lebensmittel und andere Bestellungen zu verladen und einen Tag später ein 2.Mal. Diese Mal in Puerto Eden, an einem verlassenen Ort so weit weg im Nirgendwo, wie man es sich in Europa kaum vorstellen kann. Noch nie zuvor war ich so fernab der Zivilisation. Grund genug auch für viele ehemalige Dorfbewohner ihre Häuser zu verlassen und zu flüchten, aber einige hartnäckige Bewohner halten den einsamen Ort mit seinem spärlichen Angebot trotz offensichtlich vieler Entbehrungen unerbittlich am Leben. Die winzigen Figuren vom großen Schiff aus betrachtet strahlten Stärke und Willenskraft aus. Es wäre vielleicht spannend gewesen, einen Tag hier zu bleiben und trotzdem war ich nicht unglücklich, weiterziehen zu dürfen.
Die Stunden vergingen für mich rasend schnell durch all die sympathischen Gespräche mit den kunterbunten Bootsinsassen und Crew-Mitgliedern. Letztendlich auch durch das ersehnte Studium meiner vielfältigen Literatur, die ich nun schon seit Wochen vor mich hingeschoben hatte. 3 Mal täglich wurde man liebevoll zur funktionellen Ernährung eingeladen. An Board war eine internationale Mischung an Lebenskünstlern und Abenteurern vom Kleinkind bis zum Greis anzutreffen, die vielfältiger kaum hätte sein können. Nach 2 Tagen kannten wir uns alle beim Vornamen, viele waren mir im Laufe meiner Reise an unterschiedlichsten Orten bereits begegnet. In dieser kurzen Etappe meines Weges gab es fast keine Fremden mehr. Meine argentinischen Freunde schmuggelten ein Bier von Puerto Eden an Board. Es wurde gelacht, gespielt, gestritten, musiziert, gegessen und geteilt. Es erinnerte mich an das Leben in einer Familie. Ein schönes Gefühl.
Durch Zufall traf ich Abends während meiner Hotelsuche in P. Natales die freundliche Gruppe aus GB wieder. Ein wunderbares Centolla Abendessen - ein spektakulärer arktischer Königskrabbenkuchen - und ein super nettes Abendprogramm mit Mary boten mir einen perfekten Start ins nächste Abenteuer…
Etappe 19 - 10.11.2022 - O‘Higgings - Caleta Tortel- ca. 145 km - 1 Fähre
Caleta de Tortel, das chilenische „Hallstadt“ der Abenteuerstrecke war nur über eine 24km lange und steinige Strecke zu erreichen. Müde und gezeichnet vom Vortag machte mich auf den Weg und freute mich über die letzte Orange und den spärlichen Proviant, der mir noch ein wunderbares Frühstück in der Natur erlaubte. Die letzten Sonnenstrahlen sollten allerdings nicht lange halten und 120 verregnete und bewölkte Kilometer über Dreck und Stein hielten mich hochkonzentriert wach bis nach Tortel. Voller Neugierde stellte ich meinen Stahlesel zwischen den kläffenden Hunden am Zentralparkplatz ab und stieg über endlose Holztreppen runter ins charmante Dorf…
Ich fand hier Unterkunft und freundliche Gesellschaft aller Art. Alle Häuser und Gehsteige sind auf Pfählen gebaut und in einem verschachtelten Labyrinth aus Zypressenholztreppen miteinander verbunden. Der Ort ist einfach, bezaubernd und atemberaubend.
Ich schreib Euch diese Zeilen nun aus der örtlichen Bibliothek, denn das ist die einzige Kommunikationsmöglichkeit in die Außenwelt. Ich genieße 2 ruhige Tage hier bis mein Schiff von Yungay nach Puerto Natales ablegt…
Etappe 18 - 9.11.2022 - Cochrane - O‘Higgings - Fin de Carretera Austral - ca. 240 km - 1 Fähre
Eigentlich wollte ich nach einem Abstecher nach Tortel meine Strecke am Carretera Austral in Yungay beenden und mir die 200km sparen, die mich zum Ende der berühmten Strecke bringen würden. Aber irgendwas lies mich in dieser Nacht nicht ruhig schlafen. Ich war schon so weit gekommen, warum also nicht abschließen, was ich (zufällig) begonnen hatte? Die Begegnung am Vorabend verhalf mir bestimmt zur Motivation, die ich brauchte. Ein paar sympathische Weggefährten mit dem gleichen Ziel. Es war meine bisher längste Etappe über schwindelige Schotterpisten, aber sie war in jedem Fall die Mühe wert. Nun sitz ich hier in einem gemütlichen, familiären Hostel am Arsch der Welt in O‘Higgins und freue mich auf das gemeinsames Asado mit meinen Gefährten aus Temuco. Salut!
Etappe 17 - 8.11.2022 - Guanako Wildnis - Cochrane ca. 30 km
Die Welt schien still zu stehen, als ich am frühen Nachmittag auf einer Parkbank beim Brunnen am Plaza de Armas von Cochrane bewaffnet mit Kaffee und Kuchen und leicht bekleidet mit Shorts und T-Shirt, Sonne tankte. Es war schönste Teil des Tages, tatsächlich keine Pläne mehr zu haben. Kein Bedürfnis nach Gletscher, Flüssen, Seen, Sport, Motorradabenteuern und wilden Tieren mehr. Keine Suche nach Herberge & Benzin. Ich fand mein Glück auf dieser Parkbank, träumte, sinnierte und lächelte in den Himmel bis ich einen Sonnenbrand bekam.
Immerhin hatte der Tag schon atemberaubend begonnen mit einer Wanderung zur Laguna Cisne und retour. Seit vielen Stunden hatte ich an diesen Morgen keinen Menschen mehr gesehen und die türkise Lagune schrie mich regelrecht an: „zieh dich aus und spring rein!“ Als ich schließlich 2 Meter später bis zu den Oberschenkeln im Schlamm steckte, war die Schwimm-Euphorie dann doch gedämpft und ich beschloss stattdessen die Einsamkeit zu nutzen, um auf meiner chromatische Mundharmonika zu üben. Die Guanakos hörten gleichgültig zu, aber zumindest ergriffen sie nicht die Flucht.
Den gemütlichen Tag wollte ich mit einem kühlen Bier aus der bekannten und beliebten örtlichen Brauerei begießen, wo ich auf eine Gruppe sympathischer Motorradfahrer aus Temuco und Bayern traf. Wir hatten an diesem Abend viel zu lachen und so kam es schon wieder dazu, dass ich meine Ursprungspläne über den Haufen warf.
Etappe 16 - 7.11.2022 - Puerto Río Tranquilo - Reserva Nacional Tamango ca. 110 km
Ein zauberhafter aber wie gewohnt holpriger Schlag Richtung Süden brachte mich meinem Etappenziel näher. Die wechselnden Farben des Lago General Carrera fand ich just in Chile‘s wasserreichsten Fluss, dem Río Baker wieder. Eine kurze Wanderung zur Confluencia offenbarte prächtige Wassermassen, die im Zusammenfluss mit dem milchigen Río Neff ein Kunstwerk formten. Was für ein gewaltiger Ort um Energie zu tanken! Ohne Nachzudenken tauchte ich meine Füsse in kühle Nass und grübelte. Ausgeschlafen, motiviert und voller Abenteuerlust beschloss ich, mir einen Schlafplatz in wilder Natur zu suchen…
Ca. 20 km nördlich von Cochrane bog ich in den Naturpark Tamango ein und bewunderte die unendliche Weite an Gräsern und Büschen, als plötzlich neugieriger als ich, ein Guanako auf den Schotterweg hüpfte und mich skeptisch musterte. Es sollte nicht das einzige gewesen sein. Diese scheuen aber mutigen Tiere spazieren hier in unfassbarer Menge friedlich durch die Gegend. Sie fressen, schauen und schlafen in einer endlos Schleife - direkt neben mir. Faszinierend. Es war spät genug um meine Fahrt zu beenden und ich suchte mir einen Zeltplatz am Fluss, zumal auch meine Garmin-Satelliten-App mir diesen hier auswies. Weit und breit war niemand zu sehen, außer ein paar Nationalpark Shuttles die unweit von mir in den Feierabend rumpelten. Mitten im Fluss war ich mir zu diesem Zeitpunkt absolut nicht bewusst, dass ich mein Zelt neben einer Straße aufgeschlagen hatte und meine Thunfischspaghetti sozusagen am Straßenrand kochte…:)
Etappe 15 - 5.11.2022 - Laguna Verde - Puerto Río Tranquilo ca. 220 km
Nach einem Panoramafrühstück in der Wildnis und einem erfrischenden Bad im See begleiteten mich Ayleen und ihre Hündin Mila noch nach Villa Castillo auf eine letzte notwendige Stärkung im wohl bekanntesten Foodtruck des Carretera Austral.
Die darauffolgende 110km Schotterpiste durch endlose, unentdeckte Weiten, Windtunnel und Staub waren anspruchsvoll und ermüdend. Hin und wieder konnte man im Augenwinkel einen Blick auf ein Stück wundersame Wildnis erhaschen, aber an ein Stehenbleiben zum Fotografieren war kaum zu denken. Die einzige Option wäre mitten auf der engen Straße gewesen, die für meinen unbrauchbaren Motorradständer leider auch kaum je in Frage kam. Ein Rast unter diesem Umständen hätte mehr Energie gekostet als die Weiterfahrt. Es schien als hätte man mit Mühe eine funktionelle Straße durch das wilde Dickicht geschlagen. Nicht mehr nicht weniger. Man konnte kaum wo stehenbleiben und grub sich kontinuierlich durch eine riesige Staubwolke. Als ich nach fast 3 Stunden den Lago General Carrera vor mir sah überkam mich wieder dieses wohlig warme Glücksgefühl angekommen zu sein. Das hübsche, überschaubare Dorf hatte mich mit zauberhaften Farben des Himmels und der einzigartigen Gastfreundschaft seiner Bewohner willkommen geheißen. Nur vor den Hunden musste ich einmal wieder an jeder 3. Straßenecke flüchten. Diese Flucht verhalf mir allerdings zu spannende Plänen für meinen Aufenthalt und zum saubersten Hostel der Gegend.
Die Besichtigung der berühmten Marmorkathedrale im Seekayak stand am Programm und sonst nichts. Aufstehen und schlafen gehen im selben Bett. Herrliche Perspektiven.
Leider ging die holprige steile Gruselpassage des Carretera Austral vor einigen Tagen nicht für alle gut aus. Der sympathische und mutige Engländer Nigel, den ich mit seiner Gruppe vor einigen Tagen kennengelernt hatte, verunglückte in einer Kurve und wartet nun im Krankenhaus von Coyaique auf seine notwenige Operation. Ayleen und ich beschlossen, ihn zu besuchen. Es war die zweifellos wertvollste Begegnung des Tages.
Ayleen zeigte mir ein paar traumhafte Plätze ihrer Heimat, wir waren wandern, baden und campen in der Wildnis mit ein paar ihrer Kletterkollegen. Die Nacht innerhalb und außerhalb meines Zelts war warm und wunderbar. Etwas Magisches lag in der Luft.
Etappe 12 - 3.11.2022 - Puerto Cisnes - Coyhaique - ca. 210 km
Eine erholsame Fahrt über herrliche, asphaltierte und gut gepflegte Straßen brachte mich friedlich und frisch nach Coyhaique an den Plaza de Armas. Anders als in Santiago war dieser hier voller Pflanzen und fröhlichen Menschen, die die ersten heißen Sonnenstrahlen genossen in Begleitung von Musik, Kunsthandwerk und fast exotischen Düften. Ich testete meinen ersten Mote, ein erfrischendes Getränk aus Pfirsichsaft und Weizengraupen und warte auf Ayleen, in deren Heimat in gerade angekommen war. Sie gab mir Asyl in ihrem Haus und wir verbrachten eine einzigartig tolle Zeit miteinander.
Etappe 11 - 2.11.2022 - Puyuhuapi - Puerto Cisnes - ca. 90 km
Um 6 Uhr früh wurde es langsam wärmer, aber mein Bedürfnis weiterzuschlafen hielt sich in Grenzen. 9km entfernt gab es eine Therme am See, die ich aufsuchen wollte. Leider war sie geschlossen. Ich fuhr weiter zum Nationalpark Queulat und freute mich darauf, dort ein bisschen wandern zu gehen. 3 km mitten im Wald eklärte man mir dann tatsächlich, dass ich den Park ohne Internet-Reservierung nicht betreten dürfte und ich müsste erst einige km zurück in eine Wifi Zone fahren um das zu erledigen. Verdutzt und verstört verließ ich den Wald und beschloß meine Wanderpläne zu verschieben. Und das war auch gut so. Ich brauchte meine ganze Energie und Willenskraft des Tages für den bevorstehenden Pass voller enger steiler Kurven auf gruseliger Schlaglochpiste. Heil oben angekommen an der endlich wieder hübsch asphaltierten Straße fühlte ich wieder diese magische Freude, im Paradies gelandet zu sein. Ich war stolz, erleichtert und glücklich. Die darauffolgende 40 km waren traumhaft idyllisch und bestückt mit Wasserfällen soweit das Auge reicht.
Gegen 12:30 erreichte ich das freundliche kleine Fischerdorf Puerto Cisnes und entschied mich für das simple aber feine Hostel El Gaucho und ein leckeres Mittagessen am Strand.
Die Hotelchefin war so begeistert, eine Frau allein auf einem Motorrad einzuquartieren, dass sie mich gleich auf einen Pisco Sour einlud. Die sommerlichen 28°C zwagen mich unweigerlich in den Bikini, an den Strand und ins kühle Nass des Pazifiks.
Hier sitze ich nun im Sonnenschein, genieße mein Dulce de Leche - Eis (eine chilenische Creme aus Milch, Zucker und Vanille - zum Verlieben!) und spaziere dann gemütlich in den Sonnenuntergang…
Etappe 10 - 1.11.2022 - Lago Yelcho - Puyuhuapi - 136km
ALLE wollten an diesem Tag in das 420km weit entfernte Coyhaique. Alle wollten in kurzer Zeit eine weite Strecke zurücklegen. Ich hingegen wollte mir ab jetzt die Zeit nehmen für kurze Etappen. Ich wollte schlafen, brunchen und am Strand spazieren gehen. Ich wollte träumen und meditieren. Ich wollte für euch Berichte schreiben, Tee trinken und die Sonne genießen. Ich wollte einen Abstecher Richtung Futaleufú wagen und diesen wegen Sinnlosigkeit wieder abbrechen (er hätte mich den ganzen Tag rumpelige Schotterpiste und somit meine ganze Energie gekostet) . Ich wollte Kuchen essen in La Junta. Ich wollte bei jeder Gelegenheit stehen bleiben und mich an den leuchtend weißen Bergipfeln und den smaragdgrünen Flüssen erfreuen und all das tat ich auch. Allerdings mit dem Resultat, dass der Tag verging ohne es zu bemerken. Kurz vor Sonnenuntergang und nur knapp mit schlechten Benzin, aber immerhin Benzin davongekommen, war ich energiegeladen genug um mich für ein Experiment zu entscheiden: Eine traditionell chilenische Camping-Nacht stand mir bevor….
BIch stoppte bei einem verwitterten alten Schild am Fischerhafen vor einem freundlichen alten Mann mit wenigen Zähnen. Ringsum Unterstände mit Sandboden und eine rudimentäre Kochscheune. Für 5000 Peso durfte ich hier mein Zelt aufschlagen und bei Bedarf sogar heiß duschen. Den Bedarf hatte ich nicht. Da es schon spät war beschloss ich zu bleiben. Der Ort war unspektakulär, aber er versprühte einen eigentümlichen Charme. In der Nachbarschaft waren Hundebabies und hübsch bepflanzte Kleingärten.
Es war mein erstes Campingabenteuer in Südamerika und somit auch mein erster Materialtest in diese Richtung. Mit allen Tricks versuchte ich, die mir bevorstehende 1°C kalte Nacht so kuschelig wie möglich zu gestalten. Und es gelang mir…fast.
Etappe 9 - 31.10.2022 - Hornopiren zum Lago Yelcho - ca. 200km - 2 Fähren
Da waren wir nun angekommen auf dem berühmt-berüchtigten Carretera Austral im Tor zum Süden und ich hatte keinen reservierten Platz in der ausgebuchten Fähre. Guter Hoffnung fuhr ich trotzdem los und nachdem alle anderen an Board waren, hat man doch auch noch ein kleines Plätzchen für mich und mein Motorrad gefunden.
An Board ging es spannend zu, die Sonne strahlte von Himmel und in Begleitung weiterer ca. 20 Motorräder war ich lange nicht mehr allein. Man trifft auf dieser Fähre hauptsächlich gut gelaunte Leute aus aller Welt voller Freunde und Abenteuerlust. Unter anderen eine Gruppe aus GB und USA, die in 16 Tagen Motorradreise nach Ushuaia unterwegs waren.
Die Überfahrt war wunderschön und kurzweilig und die ersten Fahrversuche auf dem ersten 10km langen holprigen Teil des Carretera Austral von Fähre zu Fähre war turbulent und staubig. Viel abenteuerlicher aber und für meinen Geschmack schon ordentlich herausfordernd ging es dann ca. 30km Richtung Chaitén. Unterwegs waren viele Baustellen in der Schotterpiste und eine Gatsch-Lacke hat es dann auch geschafft, Ayleen, mich und einige andere ins Schleudern zu bringen. Da ich aber zum „Glück“ frontal in einen Bagger donnerte fiel das Motorrad nicht um, sondern grub sich nur ordentlich in das wässrige Dreckloch. Glücklicherweise waren sofort 3 Bauarbeiter zur Stelle, die mich da wieder rauszogen und unsere argentinischen Freunde haben auch gut auf uns aufgepasst. In Chaitén gingen wir nach einem ereignisreichen Tag zusammen Essen, verabschiedeten uns herzlich und kurz darauf ging jeder wieder seinen Weg.
Da mich die englische Motorrad-Gruppe in ihr Hotel am See Lago Yelcho eingeladen hatte, war das auch mein angepeiltes Ziel für diese Nacht. Man bot mir entweder einen teuren Campingplatz oder einen Sonderdeal für ein wunderbares beheiztes Zimmer an. Da es spät und die Nächte noch sehr kalt waren, fiel die Entscheidung nicht schwer. Es war eine zauberhafte Lodge am See und ich verbrachte den Abend mit spannenden Gesprächen und faszinierenden Menschen. Ein Geschenk.
Etappe 8 - 30.10.2022 - Pullinque nach Hornopiren - ca. 240km - 2 Fähren
Da mein Seitenständer leider immer noch viel zu steil steht, ist jedes Parkmanöver, das funktioniert ein Geschenk des Himmels. Dass das leider nicht immer eintritt, erfuhr ich auf der Fähre zurück ans Festland, als die Maschine durch eine Welle bedingt umfiel und meinen Helm zerstörte. Ich hatte Glück im Unglück, dass das Visier nicht in der Mitte durchgebrochen war, denn ab jetzt gab es keine einfache Möglichkeit mehr einen neuen Helm zu kaufen. Wie so oft im Leben zog mich Gewebeband und Kreativität aus dem Schlamassel. Auch mein Telefon überlebte am gleichen Morgen den Sturz in die Steine, von dem ich mysteriöserweise am Vorabend geträumt hatte.
Die Fahrt war gemütlich, das Wetter hervorragend und nach Ankunft an der Ablegestelle der Fähre Nr.2 von La Arena nach Caleta Puelche, einem motivationsrettenden Kokosschokoriegel und Kaffee lernte ich ein paar wertvolle MotorradkollegInnen kennen: 3 Argentinier (zwei Ärzte und ein Rechtsanwalt aus der Region Buenos Aires) und die berühmte Chilenin Alyeen (die/eine Frau Instagram-Star, die alleine seit Jahren die Welt bereist). Eine ähnlich gesinnte Freundin allein mit einem Motorrad am anderen Ende der Welt. Was für eine Schicksalsbegegnung. Abgesehen von dieser Social Media Sache, die ich im Leben mit Überzeugung zu vermeiden versuche, verbindet uns beide so einiges.
Die Argentinier, Ayleen & ich verstanden uns auf Anhieb, hatten unzählige spannende Gesprächsthemen, viel zu lachen und so beschritten wir unseren Weg ein gute Weile lang gemeinsam…
Alyeen und ich nächtigten bei einem freundlichen Ehepaar in einem gemütlichen Hostal in Hornopiren. Nach 3 Wochen unbeheiztem 4 Bett- Dormitorio hatte ich ein warmes, kuscheliges Einzelzimmer mit eigenem Bad ganz für mich allein.
Ich kann die Welt nicht retten. ABER ich kann Wienerschnitzel zubereiten! Der Besitzer dieser Einrichtung war so freundlich ein paar unabdingliche Zutaten zu organisieren. Mit einem ein Folie gewickelten rostigen Hammer aus der Werkstatt, einem Toaster und meinem Taschenmesser (das einzige Ding, das hier brauchbar ist, Fleisch zu filetieren) bestückt, machte ich mich ans Projekt. Tatsächlich hatte hier niemand zuvor so ein Gericht gesehen, Fleisch ist ohnehin ein seltener Luxus und das Festmal verschwand in kürzester Zeit mit Begeisterung vom Tisch. Statt Preiselbeeren gab es Brombeer-Marmelade, eine durchaus schmackhafte Alternative. Alle waren satt und glücklich.
Natürlich. Nach vielen Tagen unbezahltem Schuften im Dreck stellt man sich unweigerlich hin und wieder die Frage „Warum mach ich das?“ Das Faszinierende daran ist, dass man verstehen lernt, dass eine Bezahlung im Leben unzählige Formen annehmen kann. In diesem Sinne gab ich täglich und bekam oft mehr als das Doppelte zurück in der einen oder anderen Art und Weise. „Mario und Luigi“ - die 2 Universalarbeiter der Insel wurden hier engagiert, um den Schuppen niederzureißen und das schafften sie in kürzester Zeit mit einem Seil und einem schwindeligen Kleinwagen. Nach einem langen staubigen Tag schenkte ich beiden ein kühles Bier, seitdem standen sie mir bei jedem suchenden Blick hilfreich zur Seite und schenkten mir am nächsten Tag ein viel besseres Bier zurück.
Glück spielt im Leben bestimmt eine Rolle, aber mehr als das hilft Humor, Optimismus und die Eigeninitiative, das beste aus so ziemlich jeder Lebenssituation herauszuholen. Das hat auch dazu geführt, dass wir am Mittwoch kurz vor Eintreten eines intensiven Lagerkollers alle zusammen nach Ancud ausgebüxt sind - ein paar Stunden zurück in die „Zivilisation“ - genauer gesagt in Daniels „Biergarten“ Restaurant an malerischen Klippen. Stellt euch 9 Menschen auf der Ladefläche von Javier‘s rostigem Pickup vor, die alle vor lauter Vorfreude schon vor dem ersten Tropfen Hopfentee ein Riesengrinsen im Gesicht hatten während der Wagen die Schotterstraßen entlang rumpelte…
Zusammen mit vielen lustigen Menschen genossen wir exzellente Drinks, Burger, Pizza, ein beheiztes Klo und ein Waschbecken, das nicht wackelte. Purer Luxus. Ich tanzte bis in die Morgenstunden.
Die letzen 3 Tage verliefen entspannt und voller kulinarischer Highlights. Daniel hat mich zum Abschied in ein exzellentes „geheimes“ Steakrestaurant in Ancud ausgeführt - eines vor der Sorte, wo man erst anklopfen und den Besitzer kennen muss, damit die Türe aufgesperrt wird. Sein Freund der Chef, hat die hohe Kunst des Asados - sinnvolles Fleisch ordentlich am Grill zuzubereiten zu können - bei einem Meister in Argentinien erlernt und in seiner Perfektion auf die Insel gebracht.
Am nächsten Tag ging es in diesem Stil weiter am Mittagstisch im Refugio. Die örtliche Schule (die sage und schreibe 4 ganze Kinder unterrichtet) hat zum traditionellen Curanto Essen eingeladen. Normalerweise wird hierbei stundenlang in einem Erdloch voller Steine Feuer gemacht, die heißen Steine werden dann mit Mammutblättern bedeckt, es wird alles reingeworfen was da ist und langsam im Boden gegart. So die Überlieferung vor Ort. Heute nimmt man dafür riesige Kessel über offenen Feuer. Aber die Zubereitungszeit ist fast genauso lang. Wir bekamen pro Kopf ein Netz mit Meeresmuscheln aller Art, Fleischvariationen, Kartoffeln und in Folie gewickelte Teigklumpen in einer Menge und Qualität, die man in den besten Restaurants der Welt nicht bekommt. Für lächerliche 6.000 Peso. Mit 3 großen Töpfen bestückt spazierten wir ca. 40min zur Schule, um unser Festmahl abzuholen und wurden dann vom Koch persönlich auf der Ladefläche seines Pickups (wo sonst) nachhause gebracht.
An meinem letzten Abend im Projekt, Samstag, dem 29.Oktober, feierten wir Vor-Halloween und spielten „Reloj“. Ich schaffte es tatsächlich, ein paar Klamotten zu waschen und rechtzeitig zu trocknen und verließ Sonntag Morgen nach einem herzlichen Abschied zufrieden und voller wundersamer Eindrücke die Insel unter strahlendem Himmel.
Man hat kurzfristig meine Fähre von Castro nach Chaitén storniert und ich war gezwungen, die Route umzuplanen. Und DAS was das Beste, was mir hätte passieren können…
Man verfällt unweigerlich in eine Routine, die auf sonderbare Weise gleichzeitig erholsam und anstrengend ist. Der Wecker läutet - 5min Frühstück - ab zum Tiere füttern. Täglich passiert was Neues und die Arbeit geht nicht aus, aber meine 2. Woche nimmt gerade ihr gemütliches Ende.
Es wurden Gehege gebaut bzw. repariert, Gras geschnitten, Würmer gesucht, Kadaver begraben, Fisch filetiert und eingefroren, Fischköpfe ins Meer gekippt, Vögel gewaschen. Es wurde Pinguinkacke mit einer Zahnbürste vom Pinguin geputzt. Es wurden Bäume mit einer Machete gefällt. Noch nie zuvor hatte ich so ein Buschmesser in der Hand, aber der ein oder andere (un)geschickte Schlag hat mittlerweile tatsächlich den erwünschten Effekt.
Neue Bewohner und Patienten kommen täglich im Zentrum an, Seehundbabies wurden freigelassen, ein flugunfähiger Choroy ist ausgebüxt und wurde wieder eingefangen. Sein fliegender Kollege wurde leider von den Ratten gefressen kurz vor seiner Freilassung.
Um 12:30 bekommt eine/r das Vergnügen, Mittagessen für alle zu kochen. Ich kam bereits 2 Mal zum Handkuss. Es ist ein wunderbarer Moment, wenn alle hungrig am Tisch sitzen und der Deckel geöffnet wird. Fast so schön, wie der Moment in dem die letzte Schicht gegen 18:30 zu Ende ist und man nach vielen Tausend Schritten durch zum Teil recht unwegsames Gelände und ehrlicher Handarbeit bei jedem Wind und Wetter dann endlich vor dem Holzofen sitzt und über das Abendessen sinniert.
Bis auf einen Feierabend-Motorrad-Kurztrip zum örtlichen Minimarkt, um ein bisschen Proviant und Mitbringsel für die Hausgemeinschaft zu organisieren, habe ich das Gelände die ganze Woche nicht verlassen. Ich hatte weder die Zeit noch die Energie dazu und in den wenigen unbesetzten Minuten des Tages versuche ich, mich meinem Studium zu widmen.
Die kurzen aber gemütlichen Abende sind gut ausgefüllt mit Duschen, wenn es warmes Wasser gibt, geselligen Blödeln in der Runde mit kreativen Snacks und bescheidenen Getränken. Wir hatten auch nur einen Tag Stromausfall. Wir haben es ganz gut hier. Viele sind hier sehr glücklich und wollen bleiben oder hierher zurückkommen. Ich hingegen bin mit den Gedanken schon fast wieder auf der Reise…aber nur fast.
Unser Furgoncito- Chauffeur Daniel, mit dem ich am Inselfest ein paar Takte plaudern könnte, war so aufmerksam, mir an meinem einzigen freien Tag eine kleine Besichtigungstour der wichtigsten Attraktionen des Norden anzubieten. Dieses Abenteuer führte über spannende „Straßen“ selbstverständlich zum ultimativen Pinguinstrand Puñhuil! Es war der wärmste Tag des Jahres und unser Wetterglück hätte nicht größer sein können.
Saisonbedingt schien es eine unbezwingbare Herausforderung, die gefühlt einzigen 2 Pinguinen, die schon angekommen waren, auch zu finden, aber wir fanden sie. Meine ersten beiden Pinguine in freier Wildbahn. Ich war begeistert!
Nach einem wunderbaren Essen im Strandrestaurant stoppten wir für einen notwendigen Einkauf. Es musste einfach ein Vorrat an Keksen, Obst und Küchenschwämmen geschaffen werden. Angesichts der Kombination aus Sonnenstrahlen und moderatem Wind trafen wir letztendlich die einzig richtige Entscheidung für ein Nachmittagsprogramm: Segeln gehen!
Daniel besitzt ein kleines aber feines ca. 25 Fuss Boot neben seinem Ferienhaus am Meer (das er sich vor einigen Jahren übrigens auf > einem Hektar Grundstück um den Kaufpreis eines Mittelklassewagens bei uns gegönnt hatte). Mit grandiosem Proviant beladen segelten wir Richtung Ancud und im Sonnenuntergang retour.
Wünschenswerter hätte mein freier Tag nicht verlaufen können und ich wackelte vor Einbruch der Dunkelheit mit meinem leicht bepackten Stahlesel, einem zufriedenen Grinsen im Gesicht und meinem Kopf voller neuer Eindrücke über die holprigen Wegen zurück in unser Refugio.
Man wird bescheiden. Zweifellos. Man konzentriert sich auf das Wesentliche, das kostet genug Energie. Mehr denn je bedarf es einer positiven Lebenseinstellung, sich hier als verwöhnte Mitteleuropäerin aufrichtig wohl zu fühlen. Aber wenn man sich auf diese Schule des Leben dann tatsächlich einlässt, schläft man besser. Die Sonne scheint heller. Die Vögel singen lauter. Man gewöhnt sich an alles und plötzlich macht es einen Sinn…
Wir sind 9 „junge“ Leute im Haushalt ( 3 Burschen 6 Mädels) und teilen uns ein rudimentäres Badezimmer. Die meisten sind junge Tierärzte oder Pfleger, frische Maturanten oder Studenten auf der Suche nach Lebenserfahrung und ihrem Weg. Wir arbeiten hier 6 Tage zu je 8 Stunden miteinander. Wir kochen, lachen und lernen miteinander. Wir respektieren und helfen einander. Anders ginge es gar nicht.
Das Areal dieser NGO liegt auf einer Halbinsel im Norden, auf den Fundamenten einer verlassenen Austernfarm. Man hat hier Einrichtungen gebaut um örtlichen Schulklassen und Interessierten die heimische Flora und Fauna anschaulich zu präsentieren. Verletze Tiere aller Art finden hier ein Auffang- und Rehabilitationszentrum vor und es wird fleißig geforscht durch Tierbeobachtungen, Verhaltensanalysen, Neukropsie etc.
Dieser Tage leben 3 Seehunde Babies, eine Eule, ein Pinguin, mehrere Chorroy und Cachañas (=grüne Vögel) und ein Pudú im Zentrum. Da die Straße dorthin eher einem Maultierpfad gleicht und die Chiloten sehr ursprünglich denken, handeln und leben, hat man auch das Gefühl, dass die Zeit vor Jahrzehnten stehen geblieben ist… ABER es gibt Wlan. :)
Der Müll wird verbrannt, weil es keinen Abtransport gibt bzw. dieser zu teuer wäre. Abgedankte Häuser werden mit bloßen Händen und einem Hammer eingerissen. Mit unseren Händen! Sobald hier alle Tiere gefüttert sind wird alles ausgeschlachtet, was seinen Wert verloren hat und bekommt ein neues Leben in kreativer Weise. Wegwerfen ist keine Option. Dachschindeln werden zu Wegen verarbeitet und Holzschindeln einzeln gerettet. Ein paar hundert Spinnen und ein paar Tausend Termiten sind vielleicht ein Grund, kurz das Gesicht zu verziehen, aber kein Hindernis seine Mission zielstrebig weiter zu verfolgen.
Hygiene und Sauberkeit im Haushalt wird eher empfohlen als gepflegt. Hier werden ausgelöste Riesen-Schildkrötenpanzer von innen mit einer Zahlbürste geputzt, aber ein Küchenschwamm wird solange verwendet bis er von selbst wegläuft. (Ich bin schon ein bisschen froh, dass ich zur Not mein eigenes Campingzeug dabei habe.)
In diesem Stil ist die Sache schon auch ein bisschen ambivalent. Kurioserweise hat sich in dieser Welt voller junger, motivierter Idealisten Recycling noch nicht durchgesetzt und fast alle sind überzeugte Fleischtiger, während sie täglich kaputte und verlassene Tiere füttern, die alleine nicht überleben könnten. Naja, sind ja auch alle junge Lateinamerikaner auf der Suche nach dem Sinn des Lebens…und ich. ;)
Nach einer Woche Chiloé Silvestre freue ich mich jetzt richtig auf meinen freien Tag morgen. Obwohl der gestrige Tag doch auch recht heiter zu Ende ging. Wir wurden zu einer Charity- Veranstaltung eingeladen, die einen 2-stündigen Fussmarsch weit entfernt stattfand. Wir machten uns gegen 1400 auf den Weg… Zum Glück fanden wir genug motivierte Insulaner, die uns auf der Straße aufklaubten und zum Ort der Feierlichkeiten chauffierten. Mit Antichuchos (traditionelle Fleischspieße) und Calderas (riesige Kessel mit Fleisch und Kartoffeln), cerveza artisenal (hausgemachtes Bier) und supersüße Tortenvariationen feierten wir das Leben auf der Insel, während wir ein dubioses Motorboot-Rennen beobachten durften. Letztendlich fuhren wir zu Neunt auf der Ladefläche eines klapprigen Pickups mit mehreren Unterbrechungen über die holprige Schotterstraße zurück zum Refugio, genossen gemeinsam die letzten Tropfen des Elixiers aus meiner Wasserflasche, den ersten Sonnenbrand nach unzähligen windigen und regnerischen Tagen und das amüsierte, rauschige Lächeln, das jeder von uns im Gesicht trug. Summa summarum eine spannende erste Woche auf der Insel Chiloé.
Etappe 7 - Puerto Varas nach Pullinque - ca. 160 km
Ich wollte weiter und das möglichst schnell, aber dem Wachhund des Nachbarn der meine Motorrad umzingelte, wollte ich keinesfalls ohne Rückhalt begegnen. Die Geduld wurde mit einem reichhaltigen Frühstück belohnt und ich bekam tatkräftige Unterstützung beim Aufbruch. Ohne Pause fuhr ich über die Ruta 5 zur Fähre nach Chiloé. Die unbekannte Insel vor Augen brachte sowohl Erleichterung als Anspannung mit sich. Was wird mich hier wohl erwarten?
Man nennt sie auch zu Recht das Irland von Chile. Endloses Weideland, überall Fischer, am Straßenrand stehen Pferde, ringsum Schafe und Seevögel gleiten über die Klippen und Strände. Mein Ziel lag auf einer Halbinsel im Norden und wie erwartet nahm die Asphaltstraße auch irgendwann ein natürliches Ende. Die letzten holprigen Kilometer zum Ziel boten mir ein herausforderndes Enduro Training.
Nur soviel vorweg: ich wurde sehr herzlich empfangen. Das Leben hier ist einfach, aber wundervoll. Allein, all das hier einmal sehen und erleben zu dürfen, war schon die Reise wert.
Etappe 6 Panguipulli - Puerto Varas - ca. 300km
Herrliches Frühstück mit „echten“ Filterkaffee! Sowas hatte ich schon einige Zeit nicht mehr gesehen. Ich wollte den Lago Llanquihue, den letzten See der chilenische Schweiz, der auf meiner Route lag, erreichen, in der Outdoor Basis Puerto Varas nächtigen und buchte (viel zu) eilig ein buntes Hostel. Es war klar, dass ich nach dieser langen Etappe nur was zum Schlafen brauchte, darum machte ich mir keine großartigen Gedanken über die Lage.
Die Strecke voller saftiger grüner Wiesen und Weiden war fast kitschig schön und die „tierischen“ Straßensperren hatten entzückenden Unterhaltungswert. Die Sonne war den ganzen Tag meine treue Begleiterin und als ich in Frutillar meine ausgekühlten Hände in den warmen Sandstrand tauchte während der Vulkan vor mir aus dem Wasser empor stieg, schien nichts mehr den Tag trüben zu können.
Mein letzter % Punkt Handyakku, der nicht mehr schneller landen als verbrauchen kann, brachte mich gegen 1800 in ein sonderbares Viertel der Stadt. Weit weg von allem was einem „Zentrum“ nahe kam. Hier haben die Hunde die Herrschaft übernommen. Viele Gebäude sind eher Container, Schutt und Gitter überall. Ich war noch gar nicht da und wollte schon wieder weg. Trotzdem erreichte ich das Zielgebäude und mein Gastgeber Javier empfing mich bereits auf der Straße. Die Wandmalerei an der Fassade lies es doch etwas freundlicher aus der Nachbarschaft schimmern und die Einrichtung deutete stark darauf hin, dass es sich wirklich um ein Gästehaus handelte. Javier schaffte es, das Vertrauen aufzubauen, das ich beim ersten Anblick begraben hatte, stellte mir einen sicheren Parkplatz zur Verfügung und führte mich in ein bescheidenes aber funktionelles Zimmer. Da von hier nichts Sehenswertes zu Fuß erreichbar war und mir „Collectivos“ in der Nacht zu unheimlich waren, fuhren wir gemeinsam mit dem Auto an den Strand ins Zentrum, um den Vollmond zu fotografieren. Zurück im Hostal verbrachte ich dann tatsächlich einen recht netten Tee-Abend mit einer bunten Bande aus aller Welt zum Klang chilenischer Schlager im Fernsehen. Javier ist Vulkanbergführer mit Lizenz.
Der Ort hatte mir zu meiner großen Überraschung von dunkelschwarz angefangen eine breite Farbpalette des Lebens geboten. Trotzdem, die Nacht war gespenstisch und ich beschloss, mein Durchreisebudget zu erhöhen.
„Ich wünschte ich hätte mehr Zeit hier zum Urlaub machen, aber ich möchte mein Wort halten…“. Das dachte ich mir zumindest am Vorabend und die Entscheidung weiterzuziehen, sollte ich nicht bereuen.
Die Mittagssonne war so zärtlich zu mir, dass ich voller Energie loszog um die Wege Richtung Coñaripe zu den Thermalbädern zu erkunden. Alle Welt sprach von den faszinierenden „Termas geometricas“, dem Wunderwerk der Natur-Architektur. Von langen Schlagen und Vorreservierungen las ich. Grund genug für mich, ein anderes Ziel anzusteuern, das sogar auf meinem Weg lag. Wie fast überall wurde ich von vielen Hunden begrüßt, als ich in die wenig bekannte Einfahrt der Termas de Culan einbog.
Neugierig streifte ich durch die Wälder den Weg entlang, den mir die Einheimischen beschrieben und kam tatsächlich zu einigen Thermalwasserbecken mitten in fast unberührter Natur. Als ich ankam, war ich einzig und alleine von dem Gezwitscher unbekannter Vögel und dem Rauschen des Wildbachs umgeben und nahm ein erholsames, heißes Bad.
Aufgewärmt und glücklich zog ich weiter bis die Asphaltstraße ihr Ende nahm. 16km trennten mich von der Zivilisation. Ich zögerte. Ein Umkehren hätte einen gewaltigen Umweg bedeutet. Ich fuhr also weiter. Nachdem mir die ersten 2 Familienautos entgegenkamen, fuhr ich beruhigt weiter. Die Straße war abenteuerlich. Die Brücken erforderten ein wenig Geschick. Am Ende aber wurde ich mit einer spektakulären Route voller Kühe und Greifvögel belohnt. Ich fuhr an unzähligen malerischen Seen vorbei und stoppte bei einem Wasserfall, den man nicht passieren konnte, ohne nass zu werden.
Hier in Panguipulli sitz ich gerade in einem wunderschönen Hotel und schreib euch diese Zeilen. Hierher kann man zurückkehren. Hier kann man sein Herz verlieren.
Draußen prasselte der Regen auf das Blechdach meiner Holzhütte, als gegen 9 Uhr Früh eine Hotelangestellte an die Tür klopfte um mir Frühstück zu bringen. Der letzte gemütliche Teil vor der Etappe, die mich in möglichst kurzer Zeit über die Ruta 5 in den Süden bringen sollte. Dem Wetterbericht entsprechend packte ich meinen Körper in 4 Hosen, 3 Jacken, 2 Shirts und eine Fleece-Weste. Ich legte mir 2 paar Handschuhe bereit. Offen gestanden kam ich mir ziemlich blöd vor, als bei Abfahrt tatsächlich die Sonne durch die Wolkendecke lächelte, aber das sollte sich auch bald ändern.
Mir ging dieser dämliche Ohrwurm von DJ sowieso „Ab in den Süden“ kontinuierlich durch den Kopf, allerdings in der Abwandlung „Heeeey, ab in den Süden…der Pisse hinterher - hey jo was geht, der Pisse hinterher...“
Tatsächlich begegnete ich auf der Autobahn 3 anderen Motorradfahren, die winkten und hupten wie die Verrückten. Offenbar gibt es da eine wortlose Verbindung, jedenfalls aber freute ich mich selbst auch wie ein Kleinkind zu Weihnachten, in der kalten Fremde auf Gleichgesinnte zu treffen.
Ich hatte diese umstrittene Gegend der Araucanía schon fast passiert, als mir in Temuco dann die prognostizierte, apokalyptische Todeswolke zu einem ausgiebigen Materialtest verhalf. Dahinter und gleichzeitig 10min entfernt von meinem angepeilten Rastplatz, einer Tankstelle im Durchreisedorf Freire, wirkte der leuchtende blaue Himmel wie ein Tor zum Paradies.
Ein sympathischer alter Kerl ohne Zähne passte auf mein Motorrad auf, während ich mir einen Tee in der gegenüberliegenden Mittagskneipe gönnte und freute sich über das Trinkgeld. Man sah mich dort an, als hätte man noch nie einen Touristen gesehen. Dorthin hat sich wahrscheinlich auch selten einer verirrt und schon gar keine Frau allein mit einem Motorrad. Ich fühlte mich gut beobachtet. Jedenfalls wurde ich herzlichst bewirtet!
Die Ankunft in Villarrica war in jeder Hinsicht wunderbar. Das quirlige, hübsche Dorf, die zauberhafte Gegend, das gemütliche Hostel, alles. Als ich nach einem kurzen Erholungsschlaf das Haus verließ, war es kalt geworden. Die Luft duftete nach Winter und zwischen den Wolken zeigte sich in der Ferne der schneebedeckte Vulkan.
5.10.2022 Etappe 2 - Santa Cruz nach Constitución - ca. 150km
Ca.1000 km trennten mich noch von meiner 1. Mission in Chiloé, wo ich am 10.Oktober ankommen sollte. Ich musste Gas geben, wenn auch auf Nadine‘sche Weise. Also langsam, gemütlich, sicher, zielstrebig, aber schon auch ein bisschen unterhaltsam… Ich wählte also den Weg durch die Weinberge zurück zum Meer nach Constitución. Wie alles in Chile war auch dieser ein Weg extremer Kontraste. Ich sah so einiges zwischen „wundervoll“ und „idealerweise anzünden“. Die Cellulose Fabrik dort, die die Umgebung schwer in Mitleidenschaft gezogen hat, ist wohl mitunter Grund dafür, dass die Stadt eher nicht zur Pilgerstätte des Jahres gewählt wird. Dennoch verbirgt die Gegend einige der wohl interessantesten Naturspektakel der Küste…
Unterkunft fand in einem sehr einfachen aber extrem sympathischen Familienbetrieb wo ich nach viel Tee und herzlichen Gesprächen friedlich einschlief.
6.10.2022 Etappe 3 - Constitución nach Saltos de Laja - ca. 300 km
Die Küstenstraße schien mir zu verlockend um den kürzesten Weg zu wählen. Erfreulicherweise spielte das Wetter lange mit und ich erreichte um die Mittagszeit ein gemütliches Surfer-Restaurant am schwarzen Vulkansandstrand von Cobquecura. Als einziger Gast bekam ich die Aufmerksamkeit der gesamten Belegschaft und viele Tipps.
Bis auf die 6km lange abenteuerliche Fahrt durch einen Schlagloch Wald zur nächstgelegenen Tankstelle verlief die Fahrt gemütlich - von der Küste landeinwärts im Wechselbad zwischen Nieselregen und winzigen Sonnenfenstern.
An meinem Etappenziel Saltos de Laja angekommen suchte ich Quartier und wurde mit tatkräftiger Unterstützung der Einheimischen hoch über den Wasserfällen im Wald fündig. Eine kleine Wanderung zwischen freundlichen und suspekten Hunden führte mich schließlich zu einem lohnenswerten Tagesabschluss, den ich auch hier als einziger Hotelgast mit meinem (unglaublich aber wahr) 1. Glaserl Rotwein in Chile begoss!
Der Tag war vielversprechend und ereignisreich, zumal es der Tag war, an dem ich mein Motorrad empfangen sollte. Unser Zollagent Ronny hat mich in der Früh abgeholt und wegen maßloser Überbuchung im Auto gleich wieder in ein Taxi ausgelagert. Das hatte in jedem Fall den erfreulichen Zufall zur Folge, im Ibis Hotel die 3 sehr sympathischen Schweizer Motorradfahrer (zugehörig zu den 3 Schweizer Motorrädern aus meinem Hamburg Bericht) kennenlernen zu dürfen! Die 1 1/2 stündige Fahrt nach San Antonio 4 pax + Gepäck in einem Kleintaxi, das schon allerlei Krimskrams im Kofferraum herumliegen hatte, war sehr kuschelig.
Die ursprüngliche Hiobsbotschaft, dass die Verzollung den ganzen Tag dauern würde und unter Umständen gar nicht fertig werden könnte, erwies sich letztendlich als großes Glück.
Ein Warten und Hoffen war zumindest in meinem Leben selten aufregender und kurzweiliger als dieses. Ich begann meine ersten Startversuche bereits mit technischen Herausforderungen. Das Gegenstück der Schraube, die die Batterie am Pluspol fixiert, muss wohl während des Transportes aus der Verankerung gesprungen sein, ich musste also mittels Kabelbinder eine Übergangslösung schaffen. Das Ding war in den unendlichen Weiten zwischen Hamburg und San Antonio spurlos verschwunden. Ein Ersatz musste her.
Als wir die Motorräder nach draußen transportiert hatten und alle gemeinsam geduldig auf unsere Papiere warteten, kamen viele auf mich zu und halfen mir zu improvisieren. Muttern wurden geschliffen, Schrauben wurden ausgebaut, Teile wurden gesucht… Letztendlich bekam ich das perfekte Ersatzteil und war überglücklich. Ein wunderbares Geburtstagsgeschenk!
Meine 13 Reisekollegen (darunter 2 Frauen und eine mit einer 2. Enfield Himalayan!) waren ausnahmslos spannende Charaktere. Einige waren schon seit Jahren unterwegs, andere suchten hier das große Abenteuer. So ziemlich alle wollten in den Norden zur blühenden Atacama Wüste und in die Wärme. Mir schien, als wäre ich einmal mehr die einzige „Ausreißerin“, die so früh schon gegen Süden pilgert…
Die Verabschiedung von allen war sehr herzlich und aufrichtig, fühlte sich an als wären wir in den wenigen Stunden eine kleine Familie geworden. Wir wünschten uns Glück und schöne Erlebnisse und danach sah man am dreckigen Containerareal voller Lastwägen nur mehr eine große Staubwolke.
Es war spät geworden, aber nicht spät genug um mein 1.Etappenziel Santa Cruz anzusteuern, zu spät aber für die gemütliche Flasche Wein im HotTub vom Aldea Hostel.
Bis zur 1.Tankstelle hatte ich sehr nette Begleitung von Maik aus Berlin, danach beschloss ich ohne Pause durchzufahren um nicht in die Dunkelheit zu kommen.
Das einzige was meinen Geburtstag ein wenig trübte war so ein Mistviech von Straßenköter, der mich nach den erst 3 Minuten im Stadtverkehr von San Antonio attackierte und ins Bein biss. Zum Glück habe ich Schutzausrüstung und eine Tollwut Impfung. Ich wollte nur mehr raus aus diesem Kaff - so schnell wie möglich.
Die Strecke war reizvoll. Sie ging an Obstplantagen entlang und an einem See vorbei. Gegen 19:00 erreichte ich endlich mein ersehntes Ziel: Santa Cruz!
Schlaftrunken im Bett nach dieser intensiven Nacht meiner ersten schwindeligen Satellitenkommunikationsversuche, schien es mir wenig einladend, an einem nebeligen, kühlen Sonntagmorgen die Casino Strandstadt Viña del Mar zu besuchen. Da der Ort aber von vielen Seiten gelobt wird und es auch auf dem Weg zu Uwe‘s Asado lag, machte ich mich gerne auf die Reise.
Unterwegs zur Metro muss man schon gut aufpassen, nicht alle 3 Meter in Hundekacke zu treten, doch die 15 minütige oberirdische Zugfahrt vorbei an unzähligen Pelikanen lohnt sich. In Viña angekommen fühlt man sich fast schon wieder in Europa.
Katrin, die sich dort auch über das Wochenende einquartiert hatte, und ich haben dann tatsächlich während eines langen Strandspaziergangs den ersten Seelöwen angelacht und ich habe meine Füße das erste Mal voller Freude ins kalte Pazifikwasser getaucht! Erlebenswert war jedenfalls auch die Busfahrt ins benachbarte Quilpué, butterweiche Sitzbänke und ein Lärm als würde das Ding bei jeder Bodenwelle auseinander brechen. Stehenbleiben für Aus- und Einstieg wird weder vom Fahrer noch von den Passagieren großartig überbewertet…
Uwe hatte eine unglaublich sympathische Modelleisenbahner-Runde zusammengetrommelt, feinstes Grillfleisch und Empanadas aufgetischt und uns allen somit eine einzigartige Gelegenheit geschenkt, Infos und Geschichten auszutauschen. Muchas gracias lieber Uwe!
Am Busbahnhof von Valpo tummeln sich schaurige Gestalten und man ist gut beraten, mit all seinem Besitz möglichst rasch und unauffällig wieder zu verschwinden…zumindest behaupten das die Einheimischen einstimmig.
20.000 chilenische Peso (also etwas mehr als 20 EUR) scheinen hier auf der Straße ein Vermögen zu sein, sowas kann keiner wechseln. Trotzdem ist man diese Summer im Supermarkt genauso schnell wieder los wie bei uns. Kein Wunder, dass viele es sich nicht leisten können, hier ihre Häuser zu sanieren. Die Baracken wirken hinter der bunten Fassade umringt von dichten Stromkabel-Gewirr fast surreal auf eine behütete Mittel-Europäerin wie mich.
Im Vergleich scheint mir Santiago nun grau und aufgeräumt. Hier wird absolut alles bemalt was da ist. Bis hin zu den Schlaglöchern. Und die bunten „Vögel“ sind hier noch ein ganzes Eck skurriler unterwegs... Es wirkt wie das San Francisco Südamerikas. Hügelig, quirlig, dreckig, laut, extravagant, charmant, bedrohlich und sympathisch zugleich. Die Jogginghose hat große Teile der Stadt erobert. Hundegebell ist allgegenwärtig und ich habe meine Soundgranate verloren…
In der Wohnung meiner lieben und geschätzten Freunde Patricia & Giovanni in Cerro Alegre, hoch über der Stadt kann ich mich gut erholen, die nächste Reiseetappe planen, lernen, lesen und träumen. Es ist Balsam für die Seele Abends in eine liebevolle Basis zurückzukehren, in ein bisschen Vertrautheit zwischen all den fremden Facetten einer anderen Welt, die sich auf wundersame Weise in jedem Einrichtungsgegenstand widerspiegelt, obwohl ich die Wohnung zuvor gar nie gesehen hatte.
Heute musste ich raus - egal wohin. Vulkan, Thermalbäder, Weinberge, ganz egal, einfach raus aus der Stadt. Nachdem die erstgenannten Optionen abgesagt wurden, schloss ich mich einer südamerikanischen Touristen Gruppe an, d.h. um 6:00 war Tagwache, ich wurde im Hostel abgeholt und wir fuhren gemeinsam durch den Cajón del Maipo zum Embalse el Yeso, auf 2568m…
Schließlich holte mich der überflüssige Luxus eines 2. unbenutzten Bettes und eigenem Bad nach einer Nacht wieder ein und ich zog in ein Privatzimmer ins Hostel Atacama Backpackers, nochmal 2 Blocks weiter. Der/die eindeutig uneindeutige aber herzliche Person mit pinken Haaren, Brüsten, Bart, Männerstimme, Tätowierungen aller Art und langen, bunten Fingernägeln hat mich dann entsprechend durchs Haus geführt und mir ein Zimmer mit Heizung gegeben! Grund genug hier noch 3 Tage anzuhängen.. (die Heizung meine ich ;)
Eines ist bis jetzt sicher: Santiago hat viele Seiten. Dei Bevölkerung wirkt recht gespalten angesichts der jüngsten politischen Ereignisse. Offensichtlich sind die Stadtteile nach Status getrennt und das spürt man auch. Rund um den Plaza de Armas und im Flussbett vom Rio Mapocho geht es recht wild zu. Weiter entfernt sieht man überall nur eingezäunte Grundstücke mit Überwachungsanlage. Das ist jedenfalls nicht sehr einladend für einen Mitternachtsspaziergang als Frau alleine. Ich bleibe also nach Sonnenuntergang brav daheim, schick euch meine Berichte und lese meine Bücher…;)
Wie dem auch sei, man findet hier Gottes großen Tiergarten in seiner prächtigen Vielfalt ganz ohne danach zu suchen. Die hässliche Seite wird bunt bemalt, dann ist sie weniger hässlich. Nicht alles davon sind politisch motivierte Parolen. Mir gefallen die Farben zwischen Dreck und Ruinen. Dort und da entdeckt man wahre Kunstwerke.
Der Taxifahrer hatte mich sicher und informativ ans vorläufige Ziel gebracht: ein Weltvagabunden Hostel in Providencia.
Die ersten Tage verbrachte ich hauptsächlich mit Kundenbesuchen der MOBA. An dieser Stelle muss ich meine aufrichtigste Wertschätzung gegenüber Felipe, Samuel, Luis und den MB-Club Santiago zum Ausdruck bringen. Ich hätte unser Treffen gegen keine Sightseeing Aktion eingetauscht.
Dennoch hatte ich die Freude und Ehre, die Stadt ein bisschen mit meiner Hostel Bekanntschaft Katrin, die ihrerseits in der dt. Botschaft von Santiago tätig sein wird, gemeinsam erkunden zu dürfen. Ein Highlight war wohl die Überraschungsveranstaltung mit musica Cueca im GAM mit der Band Los 30 peso.
Meine 2 jungen Mitbewohnerinnnen im Damen 6 Bett Zimmer aus Sao Paulo und Montevideo waren unglaublich herzliche und lustige Menschen. Nach 2 Tagen Hostel und einem bescheiden aber gut gemeinten Asado-Abend mit z.T. sehr netten und spannenden, z.T. auch etwas entbehrlicheren Bekanntschaften wurde mir klar, ich fühle mich zu alt für solche Experimente. Ich zog um ins Hotel nebenan und freute mit über ein bisschen Privatsphäre. :)
In den letzten Minuten der Planungs- und Aufbruchsphase dieser Reise befand ich mich im Wechselbad der Gefühle. Es war eine Mischung aus Vorfreude, Stress, Traurigkeit meine Liebsten so lange zurückzulassen, aber vor allem auch Hoffnung und großem Respekt vor dem, was mir nun bevorsteht…. Mit Versicherungen aller Art, Notfall-Satellitensender, Sound-Granaten, Pfefferspray, einer Impfparade allerlei Cocktails zwischen Covid und Tollwut, Reiseapotheke und Polarwetter-Ausrüstung breitet man sich halt auf das Schlimmste vor, hofft aber natürlich, dass man all das niemals brauchen wird und visualisiert sich selbst mit Flipflops und Pisco Sour in der Hand am malerischen Strand die Sonne des Südens genießend in die Ferne zu lächeln.
Lasst es mich so ausdrücken: Die Anreise funktionierte. :)
Meine Chromonica rief dann doch ein wenig Skepsis bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen hervor, sie war jedenfalls Grund genug für eine detaillierte Rucksackuntersuchung mit Sprengstofftest und mein ohnehin schon sportlich geplanter Flug hatte Verspätung…
Kurz vor Mitternacht dann noch schnell mit einem 12kg Rucksack innerhalb von 15min in das 25min entfernte Satellitenterminal T4S in Madrid zu hetzen rechtfertigt schon ein, zwei Sünden danach, aber ich kann es nicht unbedingt weiterempfehlen.
Der Wecker klingelte gegen 7 Uhr und kurz darauf sattelte ich zum letzten Mal meinen 250kg schweren Stahlesel vor seiner geplanten Überfahrt nach Valparaiso. Obschon ich tendenziell eher zur gelassenen Kategorie Mensch zähle, war ich zugegebenermaßen relativ unentspannt, als ich mit der Tankanzeige am allerletzten roten Strich auf die wenig verkehrsberuhigte, 53m hohe Köhlbrandbrücke hinauffuhr… der Tank sollte ja leer sein, hieß es, und wenn ich das mit Verbrauchsberechnung plane, wäre es doch super effizient, dachte ich ursprünglich (im Moment visualisierte ich mich allerdings schon am Pannenstreifen zwischen hunderten LKWs von der Brücke rückwärts rollend).
In der Brückenmitte angekommen wusste ich, ich würde sicher zu Contex in den Hafen gelangen und erfreute mich an dieser beeindruckenden Kulisse von Kränen, Schiffen und Containern rund um die Elbe.
Die kleine bescheidene Inderin stand nun stolz und mutig zwischen riesigen, luxuriös ausgestatteten BMW, Ducati und KTM Gefährten mit Schweizer Kennzeichen im Lagerhaus vor dem Ausgangstor. Ich klemmte ihr die Batterie ab, isolierte die Pole, fixierte die Kofferschlüssel an der Lenkstange für den Zoll und küsste sie zum Abschied auf den Tankdeckel. Sie hatte mich ja immerhin seit dem Aufbruch > 1000km sicher in den Norden gebracht.
Nach unzähligen Traumstrecken kreuz und quer durch Deutschland hab ich meine letzten Vorurteile abgebaut: es lohnt sich definitiv, entgegen der vorherrschenden Meinung, im Sommer zur Abwechslung einmal statt nach Kroatien in den Norden zu fahren!
Verträumt verließ ich den Rosshafen Terminal Hamburg als „Rucksacktouristin“ und wartet auf die Abholung von einem guten alten Freund meines Vaters….
Geschichten von Laschern und Knacken, HafenCity, Elbtunnel & Reeperbahn, Erinnerungen und Projekte für Herz und Seele, kulinarische Hochgenüsse und hervorragende Gesellschaft schmückten meinen Tag am Zielhafen.
Wie und wo genau alles begann, ist mir bis heute unklar, aber sicher ist, dass ich sehr dankbar bin, dass es begann. Ich könnte jetzt ausholen bis zum Urknall, doch das Leben hat einfach mehr Bedeutung im Hier und Jetzt, denn ab diesem Zeitpunkt lässt sich noch was lenken, wenn man wirklich will.
Wir haben Montag, den 1. August 2022, ich sitze in einem kleinen, freundlichen Durchreisehotel, 30 km entfernt von dem Hamburger Hafen, an dem ich morgen meine vollbepackte Royal Enfield Himalayan zur Verladung nach Chile schicke und ich hoffe, dass die letzten 3 Liter Benzin im Tank diese Strecke bewältigen werden.
In der Dusche trocknet mein Zelt von der letzten verregneten Nacht am Steinhuder Meer. Im meinem Kopf kreisen die wundersamen Eindrücke der letzten Tage und Wochen. Ich weiß kaum, wie ich sie alle würdig beschreiben könnte…
An dieser Stelle schick ich den liebsten und aufrichtigsten Dank an Christof, seine Tante Christina & Familie, Osvaldo, Rudolf und Oda und Klaus für die wunderbaren ersten Tage! Es war mir eine Ehre.
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